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Sozial- und Behindertenpolitik
Behindertenvertretung (Grundlagen)
Behindertenvertretung (Praxis)
Für den Inhalt verantwortlich:
Bernhard Hampl
Inhalt: | 1. | Diskriminierung (Begriffsklärung) |
2. | Diskriminierungsverbot | |
3. | Rechtsfolgen bei Diskriminierung und Belästigung | |
4. | Schlichtungsverfahren und Gerichtsverfahren | |
5. | Einzelne Gerichtsentscheidungen | |
6. |
Manfred Hoza: Wirksamer Schutz gegen Mobbing
und Diskriminierung? [Externer Artikel aus: „Soziale Sicherheit“, Ausgabe November 2010] |
Unter „Diskriminierung“ versteht man eine ungleiche Behandlung von Menschen auf Grund einer Klassifizierung. Beispielsweise lassen sich Menschen auf Grund des Geschlechts in Frauen und Männer einteilen, wobei die Benachteiligung einer Gruppe, etwa der Frauen, zum Beispiel bei ungleichem Lohn für gleiche Arbeit, eine Diskriminierung darstellt.
In § 7c BEinstG ist nun genau definiert, was der Gesetzgeber als „Diskriminierung“ ansieht, wobei zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung unterschieden wird. | |
Abs. 1: | Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund einer Behinderung in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. |
Abs. 2: | Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sowie Merkmale gestalteter Lebensbereiche Menschen mit Behinderungen gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sowie Merkmale gestalteter Lebensbereiche sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich. |
Unmittelbare Diskriminierungen sind offensichtliche Diskriminierungen,
etwa der Ausschluß von Beförderungen auf Grund einer
Behinderung oder ein sachlich nicht gerechtfertigtes
Beschäftigungsverbot für Menschen mit bestimmten
Behinderungen.
Schwieriger einzuschätzen sind mittelbare Diskriminierungen, wo
anscheinend neutrale Vorschriften die Teilnahme am Arbeitsleben
erschweren oder unmöglich machen. Ein Beispiel liefert etwa das
Verbot, Tiere zum Arbeitsplatz mitzunehmen, das Blinden oder
Sehbehinderten, die auf die Mitnahme eines Blindenhundes angewiesen
sind, vom Arbeitsplatz ausschließt. Ein anderes Beispiel stellt
die Unerreichbarkeit von Sozialgebäuden oder
Schulungsräumlichkeiten für Gehbehinderte auf Grund von
Stufen dar, die damit vom betrieblich unterstützen Mittagessen
oder von der Weiterbildung ausgeschlossen werden (im Unternehmen, in
dem ich zuletzt gearbeitet habe, war das an einem der Standorte
jahrzehntelang eine traurige Realität).
Mit einer griffigen Formulierung hat der deutsche Bundesverfassungsgerichtshof ( BVerfG, 1 BvR 1554/89 vom 15.7.1998, Absatz-Nr. 63) beschrieben, was mit dem Diskriminierungsverbot gemeint ist: „Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG [Grundgesetz] gebietet dem Gesetzgeber, unter steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Zu einer Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten ist der Gesetzgeber allerdings nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen können typisierende und generalisierende Regelungen notwendig sein. Dabei entstehende Härten und Ungerechtigkeiten müssen hingenommen werden, wenn die Benachteiligung nur eine kleine Zahl von Personen betrifft und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Stehen die wirtschaftlichen Folgen einer solchen Regelung jedoch in einem Mißverhältnis zu den mit der Typisierung verbundenen Vorteilen, so genügt diese dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht.“
Auch eine Belästigung stellt eine Diskriminierung im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes dar (§ 7d BEinstG).Eine Belästigung liegt vor, wenn im Zusammenhang mit einer Behinderung für die betroffene Person unerwünschte, unangebrachte oder anstößige Verhaltensweisen gesetzt werden, die bezwecken oder bewirken, daß die Würde der betroffenen Person verletzt, und ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person geschaffen wird.
Im großen und ganzen läßt sich in den letzten Jahren ein positiver Paradigmenwechsel im Behindertenrecht feststellen: | |
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Der sozialrechtliche Ansatz ist einem menschenrechtlichen Ansatz gewichen. Nicht mehr Versorgung und Wegschließen stehen im Mittelpunkt, sondern das Menschenrecht der Behinderten auf gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. |
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Der hoheitsrechtliche Ansatz ist einem zivilrechtlichen Ansatz gewichen. Behinderten werden nicht mehr ausschließlich Bescheide ausgestellt, sondern sie haben immer mehr Ansprüche auf gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. |
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Bei der Durchsetzung von Ansprüchen werden Behinderte immer öfter begleitet, anstatt daß über sie ermittelt wird. Allerdings erfordert das auch Zivilcourage, und zwar von allen Beteiligten. |
Zu tun bleibt freilich immer noch viel. Die gesellschaftliche Realität ist immer noch weit von den gesetzlichen Ansprüchen entfernt. |
Diskriminierungsverbote beruhen auf internationalen und nationalen Vereinbarungen. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften hat im Jahre 2000 eine Richtlinie für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf erlassen. In dieser Richtlinie 2000/78/EG heißt es in Artikel 12, daß „jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen gemeinschaftsweit untersagt werden“ sollte.
Im Jahr 2006 hat die Generalversammlung der
Vereinten Nationen das Übereinkommen über die Rechte
von Menschen mit Behinderungen
(
Convention on the Rights of Persons with Disabilities,
englisch) beschlossen, das von Österreich im Jahre 2008
ratifiziert (→ deutsche
Übersetzung) wurde. Im Artikel 4, Absatz 1 dieser Konvention
verpflichten sich die Vertragsstaaten, „die volle
Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für
alle Menschen mit Behinderungen ohne jede Diskriminierung
aufgrund von Behinderung zu gewährleisten und zu
fördern. Zu diesem Zweck verpflichten sich die
Vertragsstaaten, | |
a) | alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Umsetzung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte zu treffen; |
b) | alle geeigneten Maßnahmen einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen zur Änderung oder bestehender Gesetze, Verordnungen, Gepflogenheiten und Aufhebung Praktiken zu treffen, die eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen darstellen; |
c) | den Schutz und die Förderung der Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen in allen politischen Konzepten und allen Programmen zu berücksichtigen; |
d) | Handlungen oder Praktiken, die mit diesem Übereinkommen unvereinbar sind, zu unterlassen und dafür zu sorgen, dass die staatlichen Behörden und öffentlichen Einrichtungen im Einklang mit diesem Übereinkommen handeln; |
e) | alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung aufgrund von Behinderung durch Personen, Organisationen oder private Unternehmen zu ergreifen; |
f) | Forschung und Entwicklung für Güter, Dienstleistungen, Geräte und Einrichtungen in universellem Design, wie in Artikel 2 definiert, die den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderungen mit möglichst geringem Anpassungs- und Kostenaufwand gerecht werden, zu betreiben oder zu fördern, ihre Verfügbarkeit und Nutzung zu fördern und sich bei der Entwicklung von Normen und Richtlinien für universelles Design einzusetzen; |
g) | Forschung und Entwicklung für neue Technologien, die für Menschen mit Behinderungen geeignet sind, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien, Mobilitätshilfen, Geräten und unterstützenden Technologien, zu betreiben oder zu fördern sowie ihre Verfügbarkeit und Nutzung zu fördern und dabei Technologien zu erschwinglichen Kosten den Vorrang zu geben; |
h) | für Menschen mit Behinderungen zugängliche Informationen über Mobilitätshilfen, Geräte und unterstützende Technologien, einschließlich neuer Technologien, sowie andere Formen von Hilfe, Unterstützungsdiensten und Einrichtungen zur Verfügung zu stellen; |
i) | die Schulung von Fachkräften und anderem mit Menschen mit Behinderungen arbeitendem Personal auf dem Gebiet der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte zu fördern, damit die aufgrund dieser Rechte garantierten Hilfen und Dienste besser geleistet werden können. |
Im Artikel 4 dieser Konvention wird die Bildung eines „Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ am Sitz der Vereinten Nationen vereinbart. Nach Artikel 1 des Zusatzprotokolles zur Konvention anerkennt jeder Vertragsstaat die „Zuständigkeit des Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen für die Entgegennahme und Prüfung von Mitteilungen, die von oder im Namen von seiner Hoheitsgewalt unterstehenden Einzelpersonen oder Personengruppen eingereicht werden, die behaupten, Opfer einer Verletzung des Übereinkommens durch den betreffenden Vertragsstaat zu sein.“
Als Teil der Umsetzung dieser internationalen Abkommen wurde 2003, also im europäischen Jahr der Behinderten, ein Diskriminierungsverbot in die österreichische Bundesverfassung aufgenommen. Das Bundesverfassungsgesetz verbietet in Artikel 7 jede Form der Diskriminierung, unter anderem auch die Diskriminierung von behinderten Menschen: | ||
Artikel 7: | (1) | Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten. |
[In Kraft getreten am 1.1.2004.] | ||
Diese abstrakte Verfassungsbestimmung wird seither, teilweise auf älteren Bestimmungen aufbauend, in konkreten Gesetzen zu ihrer Durchführung in den Rechtsbestand der Republik integriert.
In Österreich wurde für Beschäftigungsverhältnisse im Bereich des Bundes schon im Jahre 1993 das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG) erlassen, das Diskriminierungen der Bundesbediensteten in der Arbeitswelt verhindern sollte. Es bezweckte die Gleichbehandlung von Frauen und Männern und die Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung. Die Ungleichbehandlung zwischen Beschäftigungsverhältnissen zum Bund und zu anderen Arbeitgebern wurde damals offenbar in Kauf genommen. Erst im Jahr 2004 wurde für den Bereich der privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnisse ein ähnliches Gleichstellungsgesetz, das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG), beschlossen, das die Gleichstellung von Männern und Frauen zum Ziel hatte. Die Gleichstellung von Behinderten war in beiden Gesetzen ausgeklammert. Für sie wurde im Jahr 2005 einerseits das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) erlassen, das Diskriminierungen im Verwaltungsbereich des Bundes und in denjenigen privatrechtlichen Bereichen sanktionierte, die in die Regelungskompetenz des Bundes fallen (beispielsweise im Zusammenhang mit dem Konsumentenschutz). Diskriminierungen im Bereich der Arbeitswelt waren dabei ausgenommen. Für Diskriminierungen im Bereich privatrechtlicher Beschäftigungsverhältnisse wurde andererseits ein Anti-Diskriminierungsabschnitt in das Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) (§§ 7a bis 7r BEinstG) eingefügt.
Das Behinderteneinstellungsgesetz regelt nun den Diskriminierungsschutz für (fast) alle Beschäftigungsverhätnissen, also sowohl für den öffentlichen Bereich als auch für den privatrechtlichen Bereich. Ausgenommen sind nur Land- und Forstarbeiter nach dem Landarbeitsgesetz 1984 und Beschäftigungsverhätnisse zu Ländern und Gemeinden (§ 7a BEinstG).
Ursprünglich sah das Invalideneinstellungsgesetz bzw. später das Behinderteneinstellungsgesetz nur einen Entgeltschutz für begünstigte Behinderte vor (§ 7 BEinstG idF vom 1.1.1989): Das Entgelt durfte aus dem Grund der Behinderung nicht gemindert werden. In der aktuellen Fassung wird der Diskriminierungsschutz von Behinderten wesentlich weiter gefaßt. So bestimmt § 7b Abs. 1 BEinstG: | |||
§ 7b | (1) | Auf Grund einer Behinderung darf im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis gemäß § 7a Abs. 1 Z 1, Abs. 2 und 4 sowie in der sonstigen Arbeitswelt im Sinne des § 7a Abs. 1 Z 2 bis 4 niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht | |
1. | bei der Begründung des Dienstverhältnisses, | ||
2. | bei der Festsetzung des Entgelts, | ||
3. | bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen, | ||
4. | bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung, | ||
5. | beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen und der Zuweisung höher entlohnter Verwendungen (Funktionen), | ||
6. | bei den sonstigen Arbeitsbedingungen, | ||
7. | bei der Beendigung des Dienstverhältnisses, | ||
8. | bei der Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Dienstverhältnisses, | ||
9. | bei der Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberorganisation oder einer Organisation, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Organisationen, | ||
10. | bei der Gründung, Einrichtung oder Erweiterung eines Unternehmens sowie der Aufnahme oder Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit. |
Es ist zu beachten, daß dieses Diskriminierungsverbote nicht nur für begünstigte Behinderte gelten, sondern ganz allgemein für Behinderte jedweden Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Es gilt weiters auch für Eltern oder Elternteile, die ein behindertes Kind überwiegend betreuen. Ja es gilt sogar noch für betreuende Angehörige (Ehe- und Lebenspartner, Geschwister und Verwandte in gerader Linie).
Seit 1.3.2011 liegt auch dann eine unter das Diskriminierungsverbot fallende Diskriminierung vor, wenn „ eine Person auf Grund eines Naheverhältnisses zu einer Person wegen deren Behinderung diskriminiert wird“ (§ 7b Abs. 5 BEinstG idF vom 1.3.2011).
Es ist nicht als (mittelbare) Diskriminierung anzusehen, wenn die Beseitigung der Diskriminierungsursachen mit „unverhältnismäßigen Belastungen“ verbunden ist. Bei der Verhältnismäßigkeit der Belastung ist folgendes zu berücksichtigen: | ||
1. | der Aufwand, um die Bedingungen für die Ursache der Benachteiligung zu beseitigen | |
2. | die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Dienstgebers | |
3. | mögliche öffentliche Förderungen zur Beseitigung der Ursache der Benachteiligung | |
4. | die Zeit, die zwischen dem Inkrafttreten des Diskriminierungsverbotes (1.1.2006) und dem behaupteten Auftreten der Benachteiligung verstrichen ist |
Eine positive Diskriminierung, also eine Maßnahme zur Förderung der Gleichstellung im Berufsleben, mit der behinderungsbedingte Nachteile ausgeglichen werden sollen, gilt nicht als Diskriminierung.
Je nach Art der Diskriminierung sind unterschiedliche Rechtsfolgen vorgesehen. Mit einer am 1.5.2008 in Kraft getretenen Novellierung wurden die Strafsätze übrigens deutlich angehoben. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die bei den verschiedenen Arten der Diskriminierung vorgesehenen Schadensersatzansprüche. Der Einfachheit halber sind nur die Regelungen für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse angegeben. Im Bereich der öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse zum Bund gelten teilweise differenziertere Regelungen.
Diskriminierung bei | Anspruch nach | Art und Ausmaß des Anspruches |
Nichtbegründung eines (privatrechtlichen) Arbeitsverhältnisses | § 7e Abs. 1 BEinstG | Ersatz des Vermögensschadens und
Entschädigung für die persönliche
Beeinträchtigung; Ausmaß: 2 Monatsentgelte oder (in bestimmten Fällen) bis zu 500 EUR |
beruflichem Aufstieg | § 7e Abs. 2 BEinstG | Ersatz des Vermögensschadens und
Entschädigung für die persönliche
Beeinträchtigung; Ausmaß: Entgeltdifferenz für mindestens drei Monate oder (in bestimmten Fällen) bis zu 500 EUR |
Entlassung oder Kündigung in einem (privatrechtlichen) Arbeitsverhältnis oder Auflösung eines Probearbeitsverhältnisses wegen einer Behinderung oder wegen der berechtigten Geltendmachung von Ansprüchen | § 7f Abs. 1 BEinstG | Wahlweise: Entweder (nach erfolgtem
Schlichtungsverfahren) Anfechtung bei Gericht oder (wenn die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses akzeptiert wird) Ersatz
des Vermögensschadens und Entschädigung für die
persönliche Beeinträchtigung; Ein vorheriges Schlichtungsverfahren ist verpflichtend vorgeschrieben. Die Fristen nach § 7k BEinstG sind zu beachten. |
der Festsetzung des Entgeltes (ungleiches Entgelt für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit) | § 7g Abs. 1 BEinstG | Bezahlung der Differenz und Entschädigung für die persönliche Beeinträchtigung; |
der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen | § 7g Abs. 2 BEinstG | Anspruch auf Gewährung der betreffenden Sozialleistung oder Ersatz des Vermögensschadens und Entschädigung für die persönliche Beeinträchtigung; |
Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und der Umschulung | § 7g Abs. 3 BEinstG | Anspruch auf die entsprechenden betrieblichen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder Ersatz des Vermögensschadens und Entschädigung für die persönliche Beeinträchtigung; |
sonstigen Arbeitsbedingungen | § 7g Abs. 4 BEinstG | Anspruch auf die Gewährung der gleichen Arbeitsbedingungen wie ein anderer Dienstnehmer oder Ersatz des Vermögensschadens und Entschädigung für die persönliche Beeinträchtigung; |
beim Zugang zu Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflicher Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses | § 7h Abs. 1 BEinstG | Anspruch auf Einbeziehung in die entsprechenden Berufsberatungs- Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen oder auf Ersatz des Vermögensschadens und Entschädigung für die persönliche Beeinträchtigung; |
bei der Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberorganisation, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistung solcher Organisationen | § 7h Abs. 2 BEinstG | Anspruch auf Mitgliedschaft und Mitwirkung in der betreffenden Organisation sowie auf Inanspruchnahme der Leistungen der betreffenden Organisation oder auf Ersatz des Vermögensschadens und Entschädigung für die persönliche Beeinträchtigung; |
bei den Bedingungen für den Zugang zu selbständiger Erwerbstätigkeit (man denke dabei etwa an die Übernahme einer Trafik) | § 7h Abs. 3 BEinstG | Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und Entschädigung für die persönliche Beeinträchtigung; |
Bei der Bemessung der Höhe des immateriellen Schadensersatzes ist insbesondere auf die Dauer der Diskriminierung, die Schwere des Verschuldens, die Erheblichkeit der Beeinträchtigung und auf Mehrfachdiskriminierungen Rücksicht zu nehmen (§ 7j BEinstG).
Bei einer Belästigung hat die betroffene Person gegenüber dem Belästiger Anspruch auf Ersatz des erlittenen Schadens. Unterläßt es der Arbeitgeber schuldhaft, im Fall einer Belästigung durch Dritte angemessene Abhilfe zu schaffen, erstreckt sich der Schadensersatzanspruch auch auf den Arbeitgeber. Abgesehen vom Ersatz eines allfälligen Vermögensschadens beträgt der Mindestschadensersatzanspruch 720 EUR (§ 7i Abs. 1 BEinstG). Bei der Bemessung des Schadensersatzanspruches ist auf die Dauer der Diskriminierung, die Schwere des Verschuldens, die Erheblichkeit der Beeinträchtigung und auf Mehrfachdiskriminierungen Bedacht zu nehmen.
Bevor Schadensersatzansprüche bei Gericht geltend gemacht werden können, ist zunächst ein Schlichtungsverfahren beim Sozialministeriumservice zu beantragen.
Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer wegen einer Beschwerde auf Grund einer Verletzung des Diskriminierungsverbotes oder einer Belästigung weder entlassen, kündigen noch anderweitig benachteiligen. Dasselbe gilt auch für Auskunftpersonen und Zeugen in einem derartigen Verfahren.
Bevor Schadensersatzansprüche bei Gericht geltend gemacht werden können, ist zunächst ein Schlichtungsverfahren beim Sozialministeriumservice (nach § 14 BGStG) durchzuführen. Es kann formlos (schriftlich oder mündlich) beim Sozialministeriumservice beantragt werden. Das Sozialministeriumservice hat sich um einen einvernehmlichen Ausgleich der Interessensgegensätze der beteiligten Parteien zu bemühen, wobei mögliche Förderungen in Betracht zu ziehen sind. Weiters hat das Sozialministeriumservice den Einsatz einer Mediation durch externe Mediatoren anzubieten.
Das Schlichtungsverfahren endet entweder mit einer Einigung oder mit der Zustellung der Bestätigung des Sozialministeriumservice an die die Diskriminierung behauptende Person, daß eine gütliche Einigung nicht erzielt werden konnte. Für die Geltendmachung gelten folgende Fristen:
Diskriminierung | Anspruch nach | Frist zur Geltendmachung |
bei Nichtbegründung eines (privatrechtlichen) Arbeitsverhältnisses | § 7e Abs. 1 BEinstG | 6 Monate ab Zugang der Ablehnung |
beim beruflichen Aufstieg | § 7e Abs. 2 BEinstG | 6 Monate ab Ablehnung oder der Beförderung |
bei Entlassung oder Kündigung in einem (privatrechtlichen) Arbeitsverhältnis oder Auflösung eines Probearbeitsverhältnisses wegen einer Behinderung oder wegen der berechtigten Geltendmachung von Ansprüchen | § 7f Abs. 1 BEinstG | 14 Tage ab Zugang der Kündigung, Entlassung oder Auflösung des Probedienstverhältnisses |
bei Entlassung, Kündigung oder andere Benachteiligung als Reaktion auf die Einleitung eines Verfahrens zur Durchsetzung des Diskriminierungsverbotes | § 7i Abs. 2 BEinstG | 14 Tage ab Zugang der Kündigung, Entlassung oder Auflösung des Probedienstverhältnisses |
durch Belästigung | § 7i Abs. 2 BEinstG | 6 Monate |
bei der Festsetzung des Entgeltes, bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und der Umschulung und bei sonstigen Arbeitsbedingungen | § 7g BEinstG | dreijährige Verjährungsfrist nach § 1486 Z. 5 ABGB |
beim Zugang zu Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflicher Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses | § 7h Abs. 1 BEinstG | dreijährige Verjährungsfrist nach § 1486 Z. 5 ABGB |
bei der Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberorganisation, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistung solcher Organisationen | § 7h Abs. 2 BEinstG | dreijährige Verjährungsfrist nach § 1486 Z. 5 ABGB |
bei den Bedingungen für den Zugang zu selbständiger Erwerbstätigkeit (man denke dabei etwa an die Übernahme einer Trafik) | § 7h Abs. 3 BEinstG | dreijährige Verjährungsfrist nach § 1486 Z. 5 ABGB |
Solange das Schlichtungsverfahren beim Bundessozialamt läuft, ruhen die Fristen der Geltendmachung der Ansprüche vor Gericht. Mit der Zustellung der Bestätigung des Bundessozialamtes über das Scheitern eines Einigungsversuches beginnen die Fristen wieder zu laufen.
Im Fall von Mehrfachdiskriminierungen (etwa bei der Verletzung von Gleichbehandlungsgeboten aus dem Grund des Geschlechtes und der Behinderung) sind alle Diskriminierungstatbestände nach dem Schlichtungsverfahren nach § 14 BGStG) durchzuführen.
Beweislast: „Wenn sich eine betroffene Person vor
Gericht auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des
§ 7b Abs. 1 BEinstG oder eine
Belästigung
(§ 7d BEinstG) beruft, so hat
sie diesen Umstand glaubhaft zu machen. Dem Beklagten obliegt es bei
Berufung auf
§ 7b Abs. 1 BEinstG zu
beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände
wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom Beklagten glaubhaft
gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung
ausschlaggebend war. Bei Berufung auf
§ 7d BEinstG sowie bei
Berufung auf eine Diskriminierung, die durch Barrieren verursacht wird,
obliegt es dem Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller
Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom Beklagten glaubhaft
gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen“
(§ 7p BEinstG).
Hier wurde durch die Novelle 2006 des Behinderteneinstellungsgesetzes
die Beweislast zu Gunsten des Diskriminierten geändert: Jetzt
muß der Beleidiger bzw. der Diskriminierende beweisen, daß
ihn keine Schuld trifft (soferne er das eben beweisen kann).
Verbandsklage: Die Österreichische Arbeitsgemeinschaft
für Rehabilitation
(ÖAR), der Dachverband aller
Behindertenorganisationen, kann sich einer Klage zur
Durchsetzung von Ansprüchen aus einer Verletzung von
Diskriminierungsverboten im Bereich der Arbeitswelt als
Nebenkläger (als „Nebenintervent“ nach den
§§
17,
18,
19 und
20 ZPO) anschließen, wenn es
die betroffene Person verlangt. (Verbandsklage nach
§ 7q BEinstG). Leider scheint
das eine eher theoretische Möglichkeit zu sein, daß
Behinderte Hilfe auf dem Weg zu ihrem Recht bekommen. Die Homepage
der ÖAR liefert keinerlei
Information für Betroffene dazu. Allerdings findet sich in der
in den Zwischenbericht integrierten Stellungnahme der ÖAR zum
Zwischenbericht des Nationalen Aktionsplanes Behinderung auf S. 202
die Bemerkung, daß „beispielsweise die
Unterstützung auch bei gerichtlichen Verfahren im Einzelfall
wünschenswert“ wäre. Die Forderung nach der
Aufnahme einer „Finanzierungsmodalität einer
Verbandsklage in den NAP“, die noch in der von der ÖAR
veröffentlichten
Fassung auf S. 28 seiner Stellungnahme zum Zwischenbericht zum
Nationalen Aktionsplan (NAP) zur Maßnahme 48 des NAP enthalten
war, fehlt in der vom Sozialministerium veröffentlichten Fassung
(vgl. Kap. 4.1.2 des Zwischenberichtes in der Fassung des
Sozialministeriums, S. 241).
Wahrscheinlich wäre es sinnvoll, die Kompetenz für
Verbandsklagen über Diskriminierungen durchsetzungsstärkeren
Verbänden, etwa jedem der einzelnen Sozialpartner, zu
übertragen.
In den anderen Bereichen des Diskriminierungsschutzes gibt es die Verbandsklage durch die ÖAR ebenfalls, diesfalls nach § 13 BGStG. Eine derartige Klage kann aber nur auf Grund einer Empfehlung des Bundesbehindertenbeirats (siehe §§ 8 und 9 BBG) eingebracht werden, wobei für eine solche Empfehlung eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Dazu heißt es im von der ÖAR herausgegebenen Bericht zur Umsetzung der Umsetzung der UN Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen in Österreich von Jänner 2013 auf S. 28: „Die Erhebung einer Verbandsklage durch die ÖAR ist zwar grundsätzlich möglich, allerdings nur mit Zustimmung des Behindertenbeirates, welcher aus insgesamt 29 Mitgliedern besteht, von denen die meisten aus Parteien, Ministerien und Sozialpartnern entsandt sind und bloß sieben Mitglieder aus Organisationen von Menschen mit Behinderungen stammen. Bisher wurde von der Möglichkeit einer Verbandsklage oder einer Nebenintervention noch nicht Gebrauch gemacht.“ Es wird daher der Wegfall der Genehmigungspflicht durch den Bundesbehindertenbeirat verlangt (S. 29).
In der Debatte im Nationalrat, bei der das Behindertengleichstellungsgesetz beschlossen wurde, sagte die Behindertensprecherin der SPÖ, Christine Lapp: „Ein weiterer Punkt unserer Kritik betrifft die Verbandsklage. Behinderte Menschen haben keine große Lobby, haben auch meistens keine sehr großen Portemonnaies, mit denen sie sich Recht verschaffen und Juristen engagieren können. Die Verbandsklage gibt Vereinen die Möglichkeit, behinderte Menschen zu unterstützen. Hier haben Sie eine so komplizierte Formulierung eingebaut, dass der Weg aufs Salzamt für behinderte Menschen wahrscheinlich leichter wird als der Weg über die Verbandsklage“ ( Stenogr. Protokoll NR XXII. GP, 115. Sitzung vom 6.7.2005, S. 99).
„Aus dieser Bestimmung [d. h. aus § 7 BEinstG] folgt,
dass einem Behinderten, der auf Grund seiner Behinderung nicht die
gleiche Arbeitsleistung erbringen kann wie ein gesunder Dienstnehmer,
deshalb nicht weniger Entgelt gezahlt werden darf. Dies gilt auch dann,
wenn während des Beschäftigungsverhältnisses im
Gesundheitszustand des Behinderten eine Verschlechterung eintritt
(Diskriminierungsverbot). Die Bestimmung gilt nicht nur für die
kollektivvertraglich oder gesetzlich festgestellten
Mindestgrundlöhne und -gehälter, sondern auch für die
tatsächlich gezahlten Löhne und Gehälter.“
(Oberster Gerichtshof vom 16.3.2006, Geschäftszahl
2
Ob 303/04d).
„Wenn der unter Anwendung des § 7 BEinstG
Beschäftigte unfallkausal weniger leisten kann als bisher und
daher weniger verdienen würde, wird dieser Schaden aber durch das
Entgeltminderungsverbot des § 7 BEinstG auf den Dienstgeber
verlagert, auf welchen der Ersatzanspruch übergeht.“
(Oberster Gerichtshof vom 16.3.2006, Geschäftszahl
2
Ob 303/04d).
Das bedeutet, daß bei unfallbedingter Behinderung der Arbeitgeber
des Geschädigten vom Schädiger, der den Unfall verursacht
hat, Schadensersatz verlangen kann, wenn der Geschädigte
weiterbeschäftigt wird, behinderungsbedingt weniger leistet als
vor dem Unfall und auf Grund des Diskriminierungsverbotes des
Behinderteneinstellungsgesetzes gleich viel verdient wie vorher.
„Aus § 7 BEinstG wird abgeleitet, daß einem
Behinderten, der aufgrund seiner Behinderung nicht die gleiche
Arbeitsleistung erbringen kann wie ein gesunder Dienstnehmer, deshalb
nicht weniger Entgelt gezahlt werden darf. Dies soll auch gelten, wenn
während des Beschäftigungsverhältnisses im
Gesundheitszustand des Behinderten eine Verschlechterung eintritt.
Erforderlichenfalls ist ein Tausch des Arbeitsplatzes anzustreben oder
durch Umschulung die Voraussetzung für eine vollwertige
Arbeitsleistung zu schaffen. Erreicht die Leistung des Behinderten
trotz Rehabilitationsmaßnahmen (zB Arbeitstraining, Umschulung,
Nachschulung) nicht die volle Produktivität, so kann der
Dienstgeber Zuschüsse gemäß § 6 Abs 2 lit c
BEinstG in Anspruch nehmen.“
(Verwaltungsgerichtshof vom 22.4.1997, Geschäftszahl
95/08/0039).
„Auch wenn sich der besondere Entlassungsschutz für
Behinderte darin erschöpft, daß eine Entlassung ohne
Entlassungsgrund jedenfalls unwirksam ist und eine Einschränkung der
gesetzlichen Entlassungsgründe nicht stattfindet, kann bei
Prüfung der Relevanz der geltend gemachten Entlassungsgründe
der sich insbesondere aus den Bestimmungen der §§ 3 Abs. 1,
6 Abs 1, 7, 8 und 15 BEinstG ergebende, für die Behinderten
entwickelte Schutzzweck nicht zur Gänze außer Acht gelassen
werden. Soweit ein Behinderter zufolge seiner Behinderung nicht in der
Lage ist, seine Arbeitsleistung in dem Ausmaß zu erbringen wie ein
voll einsatzfähiger Arbeitnehmer, darf auf ihn nicht derselbe
Beurteilungsmaßstab angelegt werden. Er ist gegen Angriffe aus dem
Grunde einer durch seine Behinderung bedingten unzulänglichen
Arbeitsleistung zu schützen.“
(Oberster Gerichtshof vom 11.11.1992, Geschäftszahl
9
ObA 219/92).
Beisatz T1 zu diesem Rechtssatz: „Gerechtfertigte Entlassung
eines Behinderten wegen Dienstunfähigkeit nach Zuerkennung der
Berufsunfähigkeitspension und seiner Erklärung, auf Grund
seines Gesundheitszustandes seine Aufgaben nicht mehr
‚kundenzufriedenstellend‘ bewältigen zu
können.“
(Oberster Gerichtshof vom 8.8.2002, Geschäftszahl
8 ObA
157/02z).
Beisatz T3 zu diesem Rechtssatz: „Der Arbeitgeber ist
verpflichtet, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die
ideellen und materiellen Interessen des Arbeitnehmers gewahrt
bleiben.“
(Oberster Gerichtshof vom 16.7.2004, Geschäftszahl
8 ObA
111/03m).
„Nicht nur Arbeitskollegen, die in einem Unter- und
Überordnungsverhältnis stehen, sondern auch sonstige
Arbeitskollegen, die in einem gemeinsamen Betrieb (Dienststelle) ihre
Arbeit verrichten und dadurch in sozialen Kontakt kommen, sind vom
Verbot der Diskriminierung durch Belästigung (vgl § 7b in
Verbindung mit § 7d BEinstG) erfasst und können bei einem
entsprechenden Verstoß auch schadenersatzpflichtig nach §
7i BEinstG werden.“
(Oberster Gerichtshof vom 2.4.2009, Geschäftszahl
8 ObA
8/09y).
„Die Belästigung steht dann mit dem geschützten
Merkmal (hier: Blindheit) ‚im Zusammenhang‘, wenn die
konkrete belästigende Verhaltensweise der Tatsache, dass ein
geschütztes Merkmal vorliegt, zugerechnet werden kann. Ein
derartiger Zusammenhang ist daher jedenfalls dort zu bejahen, wo
unangebrachte, die Würde des Behinderten verletzende und ein
demütigendes Umfeld schaffende Äußerungen des
Belästigers einen Bezug zur Behinderung bzw. den damit in
Verbindung stehenden Eigenschaften haben. Das Erfordernis des
‚Zusammenhangs‘ darf dabei, um den Zweck des Gesetzes,
Diskriminierungen wegen der Behinderung hintanzuhalten, zu erreichen,
nicht zu eng gesehen werden.“
(Oberster Gerichtshof vom 2.4.2009, Geschäftszahl
8 ObA
8/09y).
„Sowohl hinsichtlich der Qualifikation der Verhaltensweise
(unerwünscht, unangebracht oder anstößig) als
auch bei der Wirkung der Absicht und der Definition des Umfelds
(einschüchternd, feindselig, entwürdigend, beleidigend
oder demütigend) reicht es jeweils aus, wenn alternativ
(‚oder‘) eine der Tatbestandsvarianten verwirklicht
wurde.“
(Oberster Gerichtshof vom 2.4.2009, Geschäftszahl
8 ObA
8/09y).
In der Zeitschrift „Soziale Sicherheit“ des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger erschien in der Ausgabe vom November 2010 der Artikel „Wirksamer Schutz gegen Mobbing und Diskriminierung?“ von Manfred Hoza, der in exemplarischer Weise die einschlägige rechtliche Situation und die (eher schwierigen) Möglichkeiten aufzeigt, wie man sich gegen Mobbing und Diskriminierung rechtlich zur Wehr setzen kann. Mit freundlicher Genehmigung von Zeitschrift und Autor wird hier eine Kurzfassung des Artikels (nach derjenigen auf der Webseite der „Sozialen Sicherheit“) wiedergegeben. Ein Link auf die Langfassung ermöglicht die Lektüre des gesamten lesenswerten Artikels.
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Der Autor, MinR. RegR. Mag. Manfred Hoza, ist Beamter des Rechnungshofes in der Abteilung für Justiz und Inneres. |
![]() Ausgabe November 2010, S. 558 |
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Wirksamer Schutz gegen Mobbing und Diskriminierung? |
Kurzfassung:
Jeder kann Opfer von Mobbing und Diskriminierung werden. Die Folgen sind mitunter schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Depressionen, Alkohol-, Drogen- oder Medikamentensucht bis hin zum Selbstmord. Für die Unternehmen, das Gesundheitswesen sind damit schwere finanzielle Nachteile verbunden. Der wirtschaftliche Schaden ist schwer abzuschätzen, kann aber in enormer Höhe angenommen werden. Die Abwehr von Mobbing und Diskriminierung ist daher sowohl aus menschlichen als auch ökonomischen Gründen geboten.
Das Problem und die hohen volkswirtschaftlichen Kosten von Mobbing und Diskriminierung werden zunehmend erkannt. Laut Statistik Austria fühlen sich rund 93.000 Personen, das sind 2,4 % der Erwerbstätigen, von Mobbing betroffen. Die Sozialpartner arbeiten derzeit an der Umsetzung der europäischen Sozialpartnervereinbarung zum Thema Gewalt und Mobbing und werden noch im Jahr 2010 viele praktische Hinweise und Tipps für die betriebliche Praxis anbieten. Der öffentliche Dienstgeber hat durch das seit 1. Jänner 2010 gültige Mobbingverbot gezeigt, dass er Maßnahmen gegen Mobbing setzt. In den Frauenförderungsplänen des Bundes werden mittlerweile Bestimmungen normiert, die die Abwehr von Mobbing und Diskriminierung bezwecken. So hat z.B. das Bundesministerium für Finanzen im Frauenförderungsplan unter dem Titel „Schutz der Menschenwürde am Arbeitsplatz“ festgeschrieben: Wenngleich noch nicht alle Frauenförderungspläne solche Bestimmungen enthalten, ist doch eine Weiterentwicklung zur Abwehr von Mobbing und Diskriminierung zu erkennen.
In Österreich formieren sich bereits Selbsthilfegruppen, die sich für Betroffene einsetzen. Eine Bürgerinitiative zur Schaffung eines Anti-Mobbing-Gesetzes hat am 18. Juni 2009 einen Antrag für ein solches Gesetz an NR-Präsidentin Barbara Prammer übergeben, der von 1.520 Unterzeichnern, darunter auch Politiker, unterstützt wurde. Nach den Unterzeichnern sollen u.a. Beweiserleichterungen für Opfer, hohe, von der Intensität des Mobbings abhängige, Strafrahmen für Täter und eine Mindestverjährungsfrist von fünf Jahren verankert werden. Ebenso werden Entschädigungen für Mobbing-Betroffene, der Widerruf ehrverletzender Äußerungen und Handlungen sowie verstärkte Präventionsmaßnahmen gefordert.
Aktuell ist ein Bundesgesetz, mit dem das Gleichbehandlungsgesetz und das Gesetz über die Gleichbehandlungskommission und Gleichbehandlungsanwaltschaft geändert werden soll, im Parlament in Behandlung, das eine Erweiterung des Diskriminierungsschutzes vorsieht und auch eine Anhebung des Mindestschadenersatzes bei (sexueller) Belästigung von EUR 720 auf EUR 1.000. Politiker zeigen zudem Interesse an einer Verbesserung der gegenwärtigen Situation für Behinderte. So wurde im Parlament eine Evaluierung und Weiterentwicklung der Behindertenanwaltschaft angeregt und dieser Antrag von allen Parteien im Dezember 2009 befürwortet. Am 26. Februar 2010 wurde eine Anfrage betreffend Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung an alle Minister und an den Präsidenten des Rechnungshofes gerichtet.
Die aufgezeigten Rechtsschutzmöglichkeiten sind nicht als „Bedienungsanleitung“ für den Einzelfall zu sehen. Die gesetzlichen Regelungen sind hinsichtlich der jeweiligen Ansprüche, Rechtsfolgen, Fristen sowie Zuständigkeitsregeln für das Verfahren so unterschiedlich, dass diese je nach Sachlage gesondert zu ermitteln sind. Nach Meinung des Autors wären die bestehenden Gesetze allenfalls in Zusammenhang mit den Beratungen über ein Anti-Mobbing-Gesetz dringend zu vereinfachen.
Das Aufzeigen und Bekanntmachen von Rechtsschutzmöglichkeiten bei Mobbing und Diskriminierung soll Betroffenen die Wahl zwischen der Ursachenbekämpfung mit Hilfe von sachkundigen Beratern bzw. Juristen oder der Symptombekämpfung mit Hilfe von Psychologen, Psychiatern und anderen Ärzten erleichtern. Die Wirksamkeit des Rechtsschutzes bei Mobbing ist derzeit auch wegen des abschreckenden Prozessrisikos für die Betroffenen als gering anzusehen. Der Rechtsschutz gegen Diskriminierung ist nach Ansicht des Autors besser ausgestaltet und wird einen zunehmenden Grad der Wirksamkeit erreichen, wenn mehr Betroffene diesen Rechtsschutz in Anspruch nehmen und Arbeitgeber sowie Mobber und Diskriminierer mit ernsthaften Sanktionen rechnen müssen. Nur wenn diese die Erfahrung machen, dass jede ihrer feindseligen Handlungen bzw. Unterlassungen für sie selbst höchst unangenehme Konsequenzen hat, werden sie ihr Verhalten ändern. Die Kosten in Höhe von weit über einer Milliarde Euro jährlich im Gesundheits- und Sozialbereich, aber auch bei (Früh-)Pensionen und in Unternehmen usw. rechtfertigen nach Ansicht des Autors Überlegungen zur Erhöhung der Wirksamkeit des Rechtschutzes, mit dem Ziel von volkwirtschaftlichen Kosteneinsparungen im Milliardenbereich.
Langfassung (1,8 MB)
Zuletzt aktualisiert am 7. Jänner 2017