Inhalt
Rechte und Schutz der begünstigten Behinderten | |
Kündigungsschutz | |
Kündigung und Entlassung | |
Erweiterte Fürsorgepflicht | |
Beschäftigungspflicht und Ausgleichtaxe | |
Diskriminierungsschutz | |
Zusatzurlaub |
Sozial- und Behindertenpolitik
Behindertenvertretung (Grundlagen)
Behindertenvertretung (Praxis)
Für den Inhalt verantwortlich:
Bernhard Hampl
Bitte beachten Sie, daß der besondere Kündigungsschutz
der begünstigten Behinderten in den ersten
vier Jahren eines neuen Beschäftigungsverhältnisses nicht
gilt! Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Behinderung auf
Grund eines Arbeitsunfalles zuerkannt wird oder wenn es sich um einen
Arbeitsplatzwechsel innerhalb eines Konzerns handelt.
Bei einem bestehenden Dienstverhältnis gilt man ab dem Zeitpunkt
der Antragstellung beim Bundessozialamt auf Feststellung des Grades der
Behinderung als begünstigter Behinderter, wenn die Feststellung
einen Grad der Behinderung von mindestens 50 % ergibt; der
besondere Kündigungsschutz gilt daher in diesem Fall ab dem
Zeitpunkt des Eintreffens des Antrages beim Bundessozialamt.
Eine nicht begünstigt-behinderte Arbeitnehmerin oder einen nicht begünstigt-behinderten Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber unter Einhaltung der entsprechenden Kündigungsfrist (nach Angestelltengesetz, Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung oder Dienstvertrag) jederzeit kündigen.
Will der Arbeitgeber hingegen einen begünstigten Behinderten, der schon länger als vier Jahre bei ihm beschäftigt ist, kündigen, so muß er zuvordie Zustimmung des Behindertenausschusses (beim Bundessoziallamt) zu dieser Kündigung einholen. Bei begünstigten Behinderten ist also neben der privatrechtlichen Kündigung grundsätzlich ein zusätzlicher öffentlich-rechtlicher Verwaltungsakt erforderlich, damit die Kündigung rechtswirksam wird (siehe auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.2.1990, Geschäftszahl 89/09/0147). Nur in „besonderen Ausnahmefällen“ kann der Behindertenausschuß einer Kündigung die nachträgliche Zustimmung erteilen (etwa bei einer nicht vorhersehbaren, z. B. behördlich angeordneten, Betriebseinstellung).
Der Behindertenausschuß ist in seinen Entscheidungen weitgehend unabhängig. Er „hat bei seine Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers zu berücksichtigen und unter Beachtung des § 6 zu prüfen, ob dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann“ (§ 8 Abs. 3 BEinstG). Bis 1998 gab es für die Entscheidungen des Behindertenausschusses keinerlei gesetzliche Grundlagen (wohl aber Erkenntnisse der Höchstgerichte, an die sich der Behindertenausschuß zu halten hatte). Seit einer Novelle des Behinderteneinstellungsgesetzes im Jahre 1999 (BGBl. I Nr. 17/1999) enthält das Gesetz Vorgaben für die Abwägung zwischen Interesse des Arbeitgebers (den begünstigten Behinderten weiterhin zu beschäftigen zu müssen) und dem Interesse des Arbeitnehmers (seinen Arbeitsplatz zu verlieren). Diese Vorgaben sind sehr allgemein formuliert, so daß sich die Entscheidungsgrundsätze nicht wesentlich verändert haben, also nach wie vor auf den gesicherten Entscheidungen der Höchstgerichte beruhen. Eine Übersicht über Kündigungs- und Entlassungsgründe für begünstigte Behinderte finden Sie im Abschnitt Kündigung und Entlassung.
Gegen den Bescheid des Behindertenausschusses kann beim Bundesverwaltungsgericht berufen werden (§ 19b Abs. 1 BEinstG), analog wie im Abschnitt über; die Feststellung der Behinderteneigenschaft beschrieben. Der Einspruch hat aufschiebende Wirkung, d. h. bis zum endgültigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes behält man auf jeden Fall seinen Arbeitsplatz und bezieht weiter sein Gehalt. Bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes dauert es durchschnittlich ein Jahr.
Der besondere Kündigungsschutz des § 8 BEinstG gilt auch für jene behinderten Arbeitnehmer, die bei Arbeitgebern beschäftigt sind, die nicht der Einstellungspflicht des § 1 BEinstG bzw. der an ihre Stelle tretenden Pflicht zur Zahlung einer Ausgleichstaxe unterliegen, etwa weil sie weniger als 25 Arbeitnehmer beschäftigen) (Verwaltungsgerichtshof vom 13.9.1994, Geschäftszahl 93/09/0346).
Bei drohender Kündigung oder gar bei ausgesprochener Entlassung sollten Sie unbedingt unverzüglich mit Betriebsrat und Behindertenvertretung Kontakt aufnehmen!
Der Kündigungsschutzes eines (bereits länger als vier Jahre im Unternehmen) beschäftigten begünstigten Behinderten beginnt mit dem Tag, an dem sein Antrag auf Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit beim Bundessozialamt eingetroffen ist, falls dieses eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 %, also seine Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten, feststellt.
Bei einem neuen Arbeitsverhältnis beginnt der
Kündigungsschutzes eines begünstigten Behinderten erst nach
vier Jahren. Dies gilt nicht, wenn die Behinderung auf einen
Arbeitsunfall zurückzuführen ist, und auch nicht, wenn nur
ein Arbeitsplatzwechsel innerhalb eines Konzernes erfolgt (§ 8
Abs. 6 lit b BEinstG).
Die Frist für das Wirksamwerden des Kündigungsschutzes wurde
in den letzten Jahren zweimal verlängert: Bis zum 31.12.1998 gab
es keine derartige Frist, d. h. der Kündigungsschutz wurde
unmittelbar mit der Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der
begünstigten Behinderten wirksam. Mit 1.1.1999 wurde eine Frist
von drei Monaten ab Beginn des Beschäftigungsverhältnisses
eingeführt, innerhalb derer der Kündigungsschutz nicht gilt. Mit
1.7.2001 wurde diese Frist auf sechs Monate ausgedehnt, mit 1.1.2011
auf vier Jahre. Übrigens jedesmal mit dem Argument, daß sich
dadurch die Einstellungsquote der begünstigten Behinderten
verbessern würde. Daß das keineswegs der Fall ist, zeigt die
Arbeitslosenquote der
begünstigten Behinderten: In den Jahren 1999 bis 2011 lag sie
relativ konstant bei 2,30 ± 0,13 % und stieg dann von 2,56 %
im Jahr 2011 kontinuierlich bis auf 3,59 % (der Arbeitslosen) im Jahr
2015.
Der Kündigungsschutz gilt auch dann noch, wenn die
Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten erst
nach dem Zugang der Kündigung festgestellt wird, aber
rückwirkend (mit dem Datum der Antragstellung beim
Sozialministeriumservice) gilt.
Siehe dazu das Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vom 8.8.2007,
Geschäftszahl
9 ObA
61/06w:„Bei Beurteilung der Auswirkung eines
rückwirkenden Feststellungsbescheides des Bundessozialamtes auf
die Kündigung eines begünstigten Behinderten ist nicht auf
den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung abzustellen, sondern
auf deren Wirksamkeit durch Zugang an den Gekündigten.“;
in dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Fall war der Antrag auf
Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit
am selben Tag gestellt worden, an dem die Kündigung beim
Betroffenen per Post eingelangt ist; der OGH bewertete den Zeitpunkt
der Antragstellung als „mit Tagesbeginn“, den Zeitpunkt des
Eintreffens der Kündigung aber mit „im Laufe des
Tages“, also später.
Jedenfalls muß der Feststellungsantrag vor der Kündigung
rechtswirksam werden, damit der Kündigungsschutz nach den
Behinderteneinstellungsgesetz wirksam werden kann. „Eine
Antragstellung nach dem Zugang der Kündigung kann an deren
Wirksamkeit nichts mehr ändern“, heißt es dazu in
dem zitierten Erkenntnis.
Anmerkung: Ob der Kündigungsschutzes auch noch gilt, wenn der Zugehörigkeitsbescheid nach dem Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt, war zwischen Oberstem Gerichtshof und Verwaltungsgerichtshof lange strittig. Inzwischen hat sich der Verwaltungsgerichtshof der Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofes angeschlossen (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31.05.2000, Geschäftszahl 94/08/0032: „ … sieht sich der Verwaltungsgerichtshof daher veranlasst, seine frühere (von jener des OGH abweichende) Rechtsprechung zur Frage der zeitlichen Wirkung eines Bescheides, mit welchem die Eigenschaft als begünstigter Behinderter festgestellt wird, nicht mehr aufrechtzuerhalten und sich nunmehr jener des OGH anzuschließen: Danach entsteht der Kündigungsschutz nach dem BEinstG rückwirkend (frühestens) ab dem 1. eines Monats, in dem der Antrag gestellt wurde, auch dann, wenn der rechtsfeststellende Bescheid erst nach Ablauf der Kündigungsfrist zugestellt wurde. Jede nach dem Zeitpunkt dieses - wenn auch erst im Nachhinein eingetretenen - Wirksamwerdens ausgesprochene Kündigung bedarf daher der Zustimmung des Behindertenausschusses“.
Begünstigte Behinderte genießen einen weitreichenden Kündigungsschutz. Er gilt aber in folgenden Fällen nicht: | |
während der ersten vier Jahre eines neu begründeten Dienstverhältnisses (ausgenommen die Behinderung ist auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen oder bei einer Konzernversetzung) | |
bei der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses | |
bei Beendigung eines befristeten Dienstverhältnisses durch Zeitablauf | |
bei begründeter Entlassung durch den Arbeitgeber | |
In diesen Fällen werden begünstigte Behinderte genauso behandelt wie nicht-behinderte Arbeitnehmer. |
Ein Arbeitgeber, der einen begünstigten Behinderten zu kündigen beabsichtigt, muß sich mit seinem Kündigungswunsch an den Behindertenausschuß des Sozialministeriumservice wenden, der ersten Instanz im Kündigungsverfahren. Dieses Verfahren erfolgt nach den Vorschriften des „Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes“ (AVG). In diesem Verfahren haben der Betriebsrat und die Behindertenvertrauensperson nur ein Anhörungsrecht. Ob sie der beabsichtigten Kündigung zustimmen oder nicht, ist für den Behindertenausschuß nicht bindend. Sie müssen daher - wie in jedem anderen Verfahren auch - durch geignete Argumentation den Behindertenausschuß zu überzeugen versuchen.
Der Behindertenausschuß setzt sich zusammen aus: | ||
einem Vertreter des Sozialministeriumservice | ||
einem Vertreter des Arbeitsmarktservice | ||
einem Vertreter der Dienstgeber | ||
einem Vertreter der Dienstnehmer | ||
drei Vertretern der organisierten Behinderten | ||
Der Vertreter des Sozialministeriumservice ist gleichzeitig der Ausschußvorsitzende. Vor der Durchführung eines Kündigungsverfahres gemäß § 8 BEinstG hat das Sozialministeriumservice eine Krisenintervention anzubieten. Der Ausschußvorsitzende hat „nach Tunlichkeit“ auf das Zustandekommen eines Ausgleiches hinzuwirken. |
Der Behindertenausschuß hat bei seiner Entscheidung über Zustimmung oder Ablehnung des Antrages auf Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des behinderten Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Er muß unter Bedachtnahme auf mögliche Förderungen prüfen, ob es eher dem Arbeitgeber zuzumuten ist, den begünstigten Behinderten weiterzubeschäftigen, oder ob es eher dem Arbeitnehmer zuzumuten ist, seinen Arbeitsplatz zu verlieren.
Bei der Interessensabwägung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zählt das Behinderteneinstellungsgesetz einige Fälle auf, in denen dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht länger zugemutet werden kann. Nach § 8 Absatz 4 des Behinderteneinstellungsgesetzes ist das dann der Fall, wenn | ||
a) | der Tätigkeitsbereich des begünstigten Behinderten entfällt und der Arbeitgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz nicht weiterbeschäftigt werden kann; | |
b) | der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten und in absehbarer Zeit auch nicht wird leisten können, und wenn der Arbeitgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz nicht weiterbeschäftigt werden kann; | |
c) | der begünstigte Behinderte die ihm auf Grund des Dienstverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und der Weiterbeschäftigung Gründe der Arbeitsdisziplin entgegenstehen. | |
Wenn einer dieser Gründe vorliegt, wird dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden können, der Behindertenausschuß also einer künftig auszusprechenden Kündigung seine Zustimmung zu erteilen haben. Siehe auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.10.2004, Geschäftszahl 2004/11/0042. |
Bei der Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung ist auch das Diskriminierungsverbot zu berücksichtigen, d. h. Behinderte dürfen nicht schlechter gestellt werden als andere Beschäftigte des Arbeitgebers. Einer Kündigung auf Grund der Tatsache der Behinderung darf der Behindertenausschuß also nicht zustimmen. Ein Selektieren nach besonders leistungsfähigen (weil jungen und gesunden) Mitarbeitern ist also unzulässig. Es sähe auch fatal der Selektierung an den Rampen der Konzentrationslager ähnlich.
Bei einer Kündigungsverhandlung vor dem Behindertenausschuß ist es für den Arbeitnehmer von Vorteil, wenn er selber Ersatzarbeitsplätze im Betrieb oder im Unternehmen nennen kann. Damit kann das häufige Arbeitgeberargument, daß es keine Ersatzarbeitsplätze gibt, entkräftet werden.
Die Zusammensetzung des Behindertenausschusses läßt eher konsensorientierte Entscheidungen erwarten. Tatsächlich enden die Verfahren meist mit der Zurückziehung des Kündigungsantrages, entweder weil der Arbeitgeber den Kündigungsantrag von sich aus zurückzieht, oder weil es zu einer Einigung auf eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses kommt. Die folgende Tabelle zeigt die derzeit verfügbaren Daten:
Anträge auf Zustimmung bzw. nachträgliche Zustimmung zur Kündigung | ||||||||||
Jahr | Zu- stimmung |
Ab- weisung |
Zurück- ziehung |
ins- gesamt |
Jahr | Zu- stimmung |
Ab- weisung |
Zurück- ziehung |
ins- gesamt |
|
1996 | 81 | 69 | 378 | 528 | 2006 | 51 | 32 | 372 | 455 | |
1997 | 74 | 61 | 462 | 597 | 2007 | 68 | 25 | 388 | 481 | |
1998 | 61 | 38 | 356 | 455 | 2008 | 61 | 33 | 417 | 511 | |
1999 | 58 | 44 | 477 | 549 | 2009 | 72 | 23 | 484 | 579 | |
2000 | 89 | 23 | 378 | 490 | 2010 | 96 | 19 | 415 | 530 | |
2001 | 103 | 49 | 452 | 604 | 2011 | 78 | 26 | 308 | 412 | |
2002 | 93 | 42 | 475 | 610 | 2012 | 65 | 21 | 264 | 350 | |
2003 | 69 | 43 | 434 | 546 | 2013 | 48 | 13 | 307 | 368 | |
2004 | 71 | 49 | 529 | 649 | 2014 | 40 | 17 | 224 | 281 | |
2005 | 61 | 31 | 432 | 524 | 2015 | 51 | 35 | 258 | 344 |
Der Behindertenausschuß entscheidet mit schriftlichem Bescheid. Dagegen kann bem Bundesverwaltungsgericht Berufung eingelegt werden. Die Berufung hat aufschiebende Wirkung, d. h. das Arbeitsverhältnis bleibt weiterhin aufrecht.
Sachliche Argumente müssen schon beim Behindertenausschuß eingebracht werden. Beim Bundesverwaltungsgericht und in den eventuell noch darauffolgenden Berufungsinstanzen wird nur noch überprüft, ob der Behindertenausschuß von seinem Ermessensspielraum angemessenen Gebrauch gemacht hat. Zusätzliche Argumente können dort nicht mehr vorgebracht werden (siehe die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.10.2004, Geschäftszahl 2003/11/0251 und des Obersten Gerichtshofes vom 14.7.1997, Geschäftszahl 8 ObA 99/97k).
Über die Entscheidungen der Berufungskommission gab es nur wenig Information. In der Regierungsvorlage zur Novellierung des Behinderteneinstellungsgesetzes vom 25.5.1992 (466 BlgNR 20. GP) wird erwähnt, daß es 1989 im gesamten Bundesgebiet 12 Berufungen gegeben hat, und daß es 1990 18 und 1991 17 Berufungen gegeben hat. Seit das Bundesverwaltungsgericht über Berufungen zu Kündigungen entscheidet, liegen mehr Informationen vor. Derzeit gibt es im Rechtsinformationssystem (RIS) des Bundes 32 einschlägige Entscheidungen.
Mit der (rechtsgültigen) Zustimmung des Behindertenausschusses zur Kündigung eines begünstigten Behinderten ist das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet: Der Arbeitgeber muß dann eine „normale“ Kündigung nach dem Arbeitsverfassungsgesetz einleiten, in die dann auch der Betriebsrat eingebunden ist.
In „besonderen Ausnahmefällen“ kann der Behindertenausschuß nachträglich die Zustimmung zu einer vom Arbeitgeber bereits ausgesprochenen Kündigung erteilen (§ 8 Abs. 2 BEinstG).
Kündigungen, bei denen um nachträgliche Zustimmung angesucht wird, sind zunächst insofern unwirksam, als sowohl der Entgeltanspruch als auch die Arbeitspflicht erhalten bleiben. Erteilt der Behindertenausschuß nachträglich seine Zustimmung, wird die Kündigung mit dem Zeitpunkt der Kündigung rechtswirksam. Wird der Antrag hingegen abgelehnt, so ist die Kündigung von Anfang an nichtig.
Das Gesetz spricht bei der nachträglichen Zustimmung von „besonderen Ausnahmefällen“, womit zum Ausdruck gebracht wird, daß es sich demnach um Fälle handeln muß, die einerseits hart an der Grenze des Kündigungsschutzes überhaupt liegen, und bei denen es andererseits dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, vor dem Ausspruch der Kündigung eine behördliche Zustimmung einzuholen. Ein solcher Fall liegt beispielsweise vor, wenn der Arbeitgeber zu verhältnismäß großen Betriebseinschränkungen gezwungen ist, und er außerdem beim Ausspruch der Kündiguing nicht wissen konnte, daß der zu Kündigende zu den begünstigten Personen gehört (Verwaltungsgerichtshof vom 19.11.1986, Geschäftszahl 84/11/0238).
Die Rechtsauffassung, ein besonderer Ausnahmefall liege nur im Falle „der Betriebseinstellung oder wesentlichen Betriebseinschränkung“ im Verein mit einer unverschuldeten Unkenntnis des Dienstgebers von der Behinderteneigenschaft des Dienstnehmers vor, ist rechtswidrig. Es können durchaus auch andere Umstände zu einer Betriebsschließung hinzutreten, die einen Sachverhalt über den Regelsachverhalt in einer Weise hinausheben, daß - im Verein mit der anzustellenden Zumutbarkeitsprüfung - von einem besonderen Ausnahmefall gesprochen werden muß. (Verwaltungsgerichtshof vom 20.10.1998, Geschäftszahl 97/08/0550).
Eine (nachträgliche) Zustimmung zur Kündigung bei einer im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung noch andauernden Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Dienstnehmers widerspricht dem Sinn des Behinderteneinstellungsgesetzes (Verwaltungsgerichtshof vom 3.10.2002, Geschäftszahl 97/08/0555).
Ursprünglich lag ein besonderer Ausnahmefall, der die nachträgliche Zustimmung zu einer Kündigung rechtfertigte, bei gänzlichem Verlust der Arbeitsfähigkeit (ohne Aussicht auf ihre Wiedererlangung) vor (Verwaltungsgerichtshof vom 28.11.1983, Geschäftszahl 83/01/0382). Im Zusammenhang mit der Novellierung des Behinderteneinstellungsgesetzes im Jahre 1999 änderte der Verwaltungsgerichtshof seine Meinung: Nun rechtfertigt der Verlust der Arbeitsfähigkeit zwar die Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung, nicht aber die nachträgliche Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung, da Verlust der Arbeitsfähigkeit nicht mehr als besonderer Ausnahmefall betrachtet wird (Verwaltungsgerichtshof vom 13.8.2003, Geschäftszahl 2002/11/0207).
Der Behindertenausschuß muß zunächst einmal prüfen, ob einer künftigen Kündigung die Zustimmung zu erteilen ist; erst danach darf er prüfen, ob noch darüber hinaus auch die nachträgliche Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung zu erteilen gewesen wäre (Verwaltungsgerichtshof vom 21.10.2004, Geschäftszahl 2003/11/0251).
Der Umstand, daß der Arbeitgeber einen Sozialplan aufstellt und nachträglich die Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung eines begünstigten Behinderten beantragt hat, bildet keinen besonderen Ausnahmefall (Berufungskommission beim Sozialministerium, Geschäftszahl 42.024/51-6a/94).
Ein die nachträgliche Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung rechtfertigender „besonderer Ausnahmefall“ liegt auch vor, wenn der Arbeitgeber (wegen Betriebsstillegung und fehlender Weiterbeschäftigungsmöglichkeit) rechtzeitig einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung gestellt hat und wegen der langen Verfahrensdauer (fünf Jahre) und der erfolglosen Rechtsmittel des Arbeitnehmers um den Erfolg seiner vorausschauenden Planung gebracht und dadurch dem Risiko ausgesetzt wird, einem Dienstnehmer, für den es auf Grund der Betriebsstillegung keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr gibt, weiterhin das Arbeitsentgelt bezahlen zu müssen (Verwaltungsgerichtshof vom 20.10.1998, Geschäftszahl 97/08/0550 und vom 18.1.2000, Geschäftszahl 99/11/0076).
Bei einer geplanten Betriebsstillegung ist einer nachträglichen Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung die Zustimmung zu versagen. Es ist nämlich grundsätzlich die Aufgabe der vorausschauenden Planung des Dienstgebers, im Hinblick auf eine geplante (und daher nicht im Sinne der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.2.1991, Geschäftszahl 90/09/0095, überraschende) Betriebsstillegung für eine rechtzeitige Antragstellung zur erforderlichen Kündigung behindeter Arbeitnehmer Sorge zu tragen (Verwaltungsgerichtshof vom 20.10.1998, Geschäftszahl 97/08/0550).
Wie erwähnt, hat der Behindertenausschuß bei seiner Entscheidung über Zustimmung oder Ablehnung des Antrages auf Kündigung eines begünstigten Behinderten abzuwägen, ob es eher dem Arbeitgeber zuzumuten ist, den begünstigten Behinderten weiterzubeschäftigen, oder ob es eher dem Arbeitnehmer zuzumuten ist, seinen Arbeitsplatz zu verlieren.
Die Interessensabwägung beim Behindertenausschuß ist im Kündigungsverfahren von großer Bedeutung, da sie nur hier erfolgt; im Berufungsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht können weitere Gründe nicht mehr geltend gemacht werden (Oberster Gerichtshof vom 14.7.1997, Geschäftzszahl 8 ObA 99/97k: „Das Berufungsgericht hat zutreffend begründet, daß die Kündigung des behinderten Klägers, der der Behindertenausschuß zugestimmt hat, hinsichtlich ihrer Begründetheit nicht nochmals bei Gericht überprüft werden könne (§ 48 ASGG). Den Revisionsausführungen des Klägers ist entgegenzuhalten, daß einer nochmaligen Abwägung des Auflösungsinteresses des beklagten Arbeitgebers (Kündigungsrechtfertigungsgründe) gegenüber dem Bestandinteresse des Klägers der Wortlaut des § 8 Abs 2 letzter Satz BEinstG entgegensteht. Eine Nachprüfung der bereits vom Behindertenausschuß vorgenommenen Interessenabwägung verstieße auch gegen den Trennungsgrundsatz des Art 94 B-VG, da eine sukzessive Zuständigkeit des Gerichtes nicht vorliegt. - Was beim Behindertenausschuß nicht vorgebracht wird, kann im Berufungsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht nicht nachgeholt werden!
„Zur Begründung der Kündigung können folgende Angaben von Bedeutung sein: | |
Liegt eine Betriebseinstellung, -einschränkung, -rationalisierung oder -umstellung vor? | |
Sind konkrete und zeitlich fixierte Änderungen im Betriebsablauf geplant? | |
Gibt es für den Behinderten einen anderen geeigneten Arbeitsplatz im Unternehmen? | |
Sind noch weitere Kündigungen geplant? | |
Gibt es einen Sozialplan? Welche Leistungen erhält der Behinderte? | |
Aufstellung der Krankenstandszeiten innerhalb der letzten Jahre
Jahre nach Dauer, Häufigkeit und Grund; [Anm.: Während man bei einer Krankmeldung dem Arbeitgeber den Grund des Krankenstandes nicht bekannt geben muß, ist das im Verwaltungsverfahren beim Behindertenausschuß anders: dieser hat ja zu prüfen, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung der Beschäftigung des Arbeitnehmers weiter zugemutet werden kann oder ob er unfähig geworden ist, die vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen.] |
|
Ursache der Minderleistung, insbesondere wenn sie nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht; | |
Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Berufsunfähigkeitspension; | |
Angaben über das Verhalten des Arbeitnehmers (allfällige Pflichtverletzungen); | |
Leistung des Behinderten im Vergleich zu anderen Mitarbeitern; | |
Angaben über die wirtschaftliche und soziale Situation des Behinderten; | |
Angaben über die zukünftigen Berufsaussichten bei Einsatz von Förderungen und Schulungsmaßnahmen; | |
Auswirkungen eines Betriebsüberganges im Sinne des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) auf das Arbeitsverhältnis des begünstigten Behinderten.“ |
Das Behinderteneinstellungsgesetz gibt einige Gründe an,
derentwegen der Behindertenausschuß dem Arbeitgeber eine
Kündigung erlauben wird:
§ 8 Abs. 4: | Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wird dem Dienstgeber insbesondere dann nicht zugemutet werden können, wenn | |
a) | der Tätigkeitsbereich des begünstigten Behinderten entfällt und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann; | |
b) | der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann; | |
c) | der begünstigte Behinderte die ihm auf Grund des Dienstverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und der Weiterbeschäftigung Gründe der Arbeitsdisziplin entgegenstehen. |
Die taxative Aufzählung von Kündigungsgründen soll verdeutlichen, daß begünstigte Behinderte zwar einen erhöhten Kündigungsschutz genießen, aber nicht unkündbar sind. Gesicherte Kündigungsgründe sind nur diejenigen, denen Entscheidungen der Höchstgerichte zugrunde liegen, wie sie im nächsten Abschnitt beispielhaft angeführt werden.
„Die Zustimmung (des Behindertenausschusses zu einer
Kündigung) wird zu erteilen sein, wenn die
Weiterbeschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers über
die Kündigungsfrist hinaus unzumutbar ist; anderenfalls darf
die Zustimmung nicht erteilt werden. Unzumutbar kann die
Weiterbeschäftigung über die Kündigungsfrist
hinaus aus wirtschaftlichen Gründen, aus Gründen in
der Person oder wegen des Verhaltens des Arbeitnehmers sein.
Dabei wird bei einer Kündigung aus wirtschaftlichen
Gründen so lange die Zustimmung nicht zu erteilen sein, als
austauschbare Arbeitnehmer für eine Kündigung in
Betracht kommen, um nach dem Zweck des höheren
Bestandsschutzes die Weiterbeschäftigung des
geschützten Arbeitnehmers möglichst zu
gewährleisten. Dabei kann allersdings ein Austausch mit
anderen Arbeitnehmern, die selbst besonders
kündigungsgeschützt sind, nicht vorgenommen
werden.“
(K. Ernst, A. Haller: Kommentar zum Behinderteneinstellungsgesetz,
ÖGB Verlag 2000: Gesetze und Kommentare, Band 149,
Erläuterung 40 zu § 8 BEinstG)
Durch die Spezifizierung der Zumutbarkeitsbedingungen für
die Zustimmung zu einer Kündigung in der Novelle 1999 im
Behinderteneinstellungsgesetz (§ 8 Abs 4 BEinstG) sollte sich
am Ermessensspielraum des Behindertenausschusses nach Absicht des
Gesetzgebers nichts ändern:
Verwaltungsgerichtshof vom 27.2.2004, Geschäftszahl
2002/11/0056:
„Nach der ständigen Rechtsprechung des
Verwaltungsgerichtshofes liegt die Entscheidung darüber, ob
die Zustimmung zur Kündigung eines Behinderten erteilt werden
soll, im freien Ermessen der Behörde. Bei dieser
Ermessensentscheidung ist es Aufgabe der Behörde, das
berechtigte Interesse des Dienstgebers an der Beendigung eines
Dienstverhältnisses und die besondere soziale
Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers im Einzelfall
gegeneinander abzuwägen und unter sorgfältiger
Würdigung aller Umstände zu prüfen, ob dem
Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses oder dem
Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes eher zugemutet
werden kann (Hinweis E 24.3.1999, 98/11/0322, und E 14.12.1999,
99/11/0246). Durch die Novellierung mit dem Bundesgesetz BGBl I Nr
17/1999 sollte sich nach der Absicht des Gesetzgebers daran nichts
ändern (vgl den Ausschussbericht
1543
BlgNR 20 GP).“
Das bedeutet, daß sich am tatsächlich genutzen
Ermessensspielraum des Behindertenausschusses durch die
Gesetzesnovelle 1999 nichts geändert hat, und daß auch
die älteren Entscheidungen der Höchstgerichte ihre
Gültigkeit behalten.
Begünstigte Behinderte haben einen erhöhten
Kündigungsschutz, sind aber nicht als praktisch
unkündbar anzusehen:
Verwaltungsgerichtshof vom 18.12.2006, Geschäftszahl
2005/11/0105:
„Die Bestimmung des § 8 Abs. 4 BEinstG, die durch die
Novelle BGBl. I Nr. 17/1999 eingefügt wurde, zählt
demonstrativ jene Gründe auf, die nach den
Erläuterungen zur letztgenannten Novelle (Regierungsvorlage
1518
BlgNR 20 GP) die Zustimmung zu einer auszusprechenden
Kündigung in der Regel rechtfertigen werden. Dies dient
nach den genannten Gesetzesmaterialien der Erhöhung der
Rechtssicherheit und soll verdeutlichen, dass behinderte
Menschen zwar einen erhöhten Kündigungsschutz
genießen, jedoch nicht als praktisch unkündbar
anzusehen sind.“
Der Ermessensspielraum wird überschritten, wenn einer
Kündigung zugestimmt wird, die nur die Entfernung eines
arbeitsfähigen (aber vielleicht teuren) begünstigten
Behinderten bezweckt:
Verwaltungsgerichtshof vom 21.10.2004, Geschäftszahl
2004/11/0042:
„Die Behörde übt das ihr in § 8 Abs 2
BEinstG eingeräumte Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes
aus, wenn die Erteilung zur Zustimmung zu einer Kündigung
eines begünstigten Behinderten nur den Zweck gehabt
hätte, diesen trotz grundsätzlicher Eignung zur
Dienstleistung wegen seiner Invalidität zu benachteiligen
bzw. aus dem Betrieb zu entfernen.“
Bei der Interessensabwägung sind alle wesentlichen
Tatbestände zu ermitteln:
Verwaltungsgerichtshof vom 27.2.2004, Geschäftszahl
2002/11/0056:
„Eine Prüfung, ob die belangte Behörde von dem
ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch
gemacht hat oder ob dies - in Form einer
Ermessensüberschreitung oder eines Ermessensmissbrauches -
nicht der Fall gewesen ist, setzt voraus, dass alle für
diese Entscheidung wesentlichen tatsächlichen Umstände
unter Einhaltung der maßgebenden Verfahrensvorschriften
ermittelt und in der Bescheidbegründung festgestellt wurden
(Hinweis E 23. April 1996, 96/08/0002, ergangen zur einer
Kündigungszustimmung nach dem Behinderteneinstellungsgesetz;
E 18. Juni 1991, 87/08/0098; E 23. Juni 1998, 95/08/0331).“
Auch bei einer Änderungskündigung sind alle
wesentlichen Tatbestände zu ermitteln:
Verwaltungsgerichtshof vom 26.02.2008, Geschäftszahl
2005/11/0088:
„Es besteht kein Anlass, bei der Beurteilung der Zustimmung
zu einer Änderungskündigung von der Forderung, alle
für die Ermessensübung maßgeblichen Umstände
zu ermitteln, abzurücken. Insoweit ist die
Änderungskündigung einer Beendigungskündigung
gleichzuhalten; der Kündigungsschutz des § 8 BEinstG
hat auch hier uneingeschränkte Geltung.“
Bei der Weiterbeschäftigung eines begünstigten
Behinderten an einem Ersatzarbeitsplatz müssen die
Anforderungen des Ersatzarbeitsplatzes bekannt sein, bevor eine
Interessensabwägung stattfinden kann:
Verwaltungsgerichtshof vom 27.2.2004, Geschäftszahl
2002/11/0056:
„Solange nicht feststeht, welcher konkrete Arbeitsplatz
(welche konkreten Arbeitsplätze) im Betrieb hinsichtlich
seiner (ihrer) Anforderungen den Kenntnissen und Fähigkeiten
dem begünstigten Behinderten am nächsten kommt (kommen)
und welche (unter Umständen auch nur einzelne)
zusätzlichen Kenntnisse sich der begünstigte Behinderte
verschaffen muß, um den Anforderungen zumindest auf einem
dieser Arbeitsplätze nachzukommen, fehlt es an wesentlichen
Sachverhaltsfeststellungen für die im Rahmen der bei der
Ermessensentscheidung, ob eine Zustimmung gem § 8 Abs 2
BEinstG erteilt werden soll, vorzunehmende Abwägung. Auf die
allgemeinen Anforderungen des Arbeitsmarktes kommt es dabei nicht
an, sondern auf die konkreten Anforderungen der für eine
Weiterbeschäftigung des begünstigten Behinderten in
Betracht kommenden betrieblichen Arbeitsplätze. Erst nach
Feststellung dieser Anforderungen ließe sich im übrigen
auch verläßlich der voraussichtliche Schulungsaufwand
ermitteln.“
Bei der Interessensabwägung muß der
Behindertenausschuß die wirtschaftliche und soziale Situation
des begünstigten Behinderten und seine zukünftigen
Berufsaussichten vollständig miteinbeziehen:
Verwaltungsgerichtshof vom 27.2.2004, Geschäftszahl
2002/11/0056:
„In einem Verfahren iSd § 8 Abs 2 BEinstG muss die
Behörde in die im Rahmen der Ermessensübung vorzunehmende
Abwägung die wirtschaftliche und gesundheitliche Situation des
begünstigten Behinderten sowie dessen künftige
Berufsaussichten einbeziehen. Dazu bedarf es konkreter
Feststellungen, welche Ansprüche dem begünstigten
Behinderten im Falle einer Auflösung seines
Dienstverhältnisses, insbesondere aus dem
Pensionszuschussvertrag, zustünden. (Hier: Die Behörde hat
zwar die wesentlichen Bestimmungen des Pensionszuschussvertrages im
Bescheid wiedergegeben, sie hat sich jedoch nicht mit der Frage
auseinandergesetzt, ab wann und in welcher Höhe der
begünstigte Behinderte einen Anspruch auf Leistungen aus
diesem Vertrag hat. Ohne ausreichende Feststellungen über die
dem begünstigten Behinderten aus dem Vertrag zustehenden
Leistungen war es der Behörde aber nicht möglich, die
wirtschaftliche Situation des begünstigten Behinderten im
Falle der Kündigung mit der wirtschaftlichen Situation bei
Weiterbeschäftigung auf einem Arbeitsplatz der
Führungsebene F1 mit einem diesem Arbeitsplatz entsprechenden
Gehalt zu vergleichen.)“
Siehe auch den Abschnitt über Ersatzarbeitsplätze im Kapitel „Erweiterte Fürsorgepflicht“.
Die Zustimmung zur Kündigung ist nicht zu erteilen, wenn
die Kündigung nur bezweckt, den Behinderten trotz
grundsätzlicher Eignung zur Dienstleistung wegen seiner
Behinderung aus dem Betrieb zu entfernen.
Verwaltungsgerichtshof vom 19.11.1986, Geschäftszahl
84/11/0238:
„Da das InvalideneinstellungsG in Arbeitsverhältnisse
zum Nachteil des Dienstgebers eingreift, um dadurch dem Invaliden
Schutz zu gewähren, wird die Behörde ihr Ermessen in
Fällen dieser Art fehlerfrei ausüben, wenn sie die
schutzwürdigen Interessen des Invaliden gegen die vom Gesetz
berührten Interessen des Dienstgebers abwägt. Welchem
Interesse sie hiebei das größere Gewicht gibt, liegt
ausschließlich in ihrem Ermessen. Nicht iS des Gesetzes
läge die Erteilung zur Zustimmung einer Kündigung eines
Invaliden, wenn diese nur den Zweck gehabt hätte, diesen
trotz grundsätzlicher Eignung zur Dienstleistung wegen
seiner Invalidität zu benachteiligen bzw. aus dem Betriebe
zu entfernen. (Hinweis auf E vom 21.5.1954, 3402/53)“
Wenn es einen Ersatzarbeitsplatz gibt, wird er im allgemeinen
auch angeboten werden müssen:
Verwaltungsgerichtshof vom 27.2.2004, Geschäftszahl
2002/11/0056:
„Besteht eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des
begünstigten Behinderten auf einem anderen, von ihm
akzeptierten Arbeitsplatz des Dienstgebers, und führt die
(bei vergleichender Würdigung der wirtschaftlichen und
gesundheitlichen Situation des Behinderten, insbesondere auch
seiner künftigen Berufsaussichten im Falle einer
Auflösung des Dienstverhältnisses gebotene)
Weiterbeschäftigung nicht zu unzumutbaren Belastungen
für den Dienstgeber, sei es aus dem Verhalten oder in der
Person des Behinderten gelegenen, sei es aus objektiven
betrieblichen Gründen, so zB wegen äußerster
Einschränkung der Weiterverwendungsmöglichkeit des
begünstigten Behinderten (Hinweis E 27.4.1989, 88/09/0124,
0125, VwSlg 12922 A/1989, und vom 25.4.1991, 90/09/0139), so
widerspricht eine auf Antrag des Dienstgebers erteilte Zustimmung
zu einer beabsichtigten Kündigung eines solchen
begünstigten Behinderten dem Sinn des BEinStG (Hinweis E
22.2.1990, 89/09/0147, VwSlg 13126 A/1990 ua).“
Ist eine Weiterbeschäftigung auf einem Ersatzarbeitsplatz
möglich, muß sie angeboten werden, wobei aber auch
Gehaltskürzungen erlaubt sind:
Verwaltungsgerichtshof vom 22.4.1997, Geschäftszahl
95/08/0039:
„Die Interessenabwägung kann im Einzelfall ergeben,
daß die unveränderte Weiterbeschäftigung
eines Behinderten, der seinen Arbeitsplatz nur teilweise
auszufüllen vermag, dem Dienstgeber nicht eher zumutbar ist
als dem begünstigten Behinderten der Verlust seines
Arbeitsplatzes. Eine Zustimmung zur Kündigung des
Behinderten läßt sich aber auch darauf nicht
gründen, solange eine Weiterbeschäftigung zu
veränderten Bedingungen möglich und (etwa unter dem
Gesichtspunkt des § 7 BEinstG und der
kollektivvertraglichen Mindestentlohnung) zulässig und dem
Dienstgeber eher zumutbar ist als dem Behinderten der Verlust
des Arbeitsplatzes.“
Der Wegfall des Arbeitsplatzes alleine ist kein Grund
für die Zustimmung zur Kündigung; eine
Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz
müßte mit „erheblichem Schaden“ für
das Unternehmen verbunden sein:
Verwaltungsgerichtshof vom 26.2.2008, Geschäftszahl
2006/11/0018:
„Hat der Arbeitgeber seinen Antrag auf Zustimmung zur
Kündigung im Wesentlichen damit begründet, der
begünstigte Behinderte sei aus seiner Funktion als
Geschäftsführer, dessen Aufgaben er nicht mehr
ordnungsgemäß wahrgenommen habe, enthoben worden
und könne ohne erheblichen Schaden auch an einem anderen
Arbeitsplatz im Unternehmen nicht weiterbeschäftigt
werden, ist § 8 Abs. 4 lit. a BEinstG einschlägig.
Diese Bestimmung zieht die Grenze, ab wann die
Interessenabwägung in einem solchen Fall zugunsten des
Dienstgebers ausschlägt und nennt dafür strenge
Voraussetzungen:
Abgesehen vom Wegfall des Tätigkeitsbereiches des
Dienstnehmers darf die Möglichkeit der
Weiterbeschäftigung des Dienstnehmers an einem anderen
Arbeitsplatz entweder gar nicht oder aber nur mit
‚erheblichem‘ Schaden für den Dienstgeber
bestehen. Eine Abwägung der Interessen der
beschwerdeführenden Partei (Arbeitgeber) mit jenen des
begünstigten Behinderten darf daher nicht schon deshalb
entfallen (‚auf sich beruhen‘), weil eine
‚gänzliche‘ Kündigung
(‚Beendigungskündigung‘) und nicht bloß
eine Änderungskündigung beantragt war, ist doch die
genannte Interessenabwägung unter besonderer
Berücksichtigung der Vorgaben des § 8 Abs. 4 BEinstG
bei jeder meritorischen* )
Entscheidung über einen Antrag auf Zustimmung zur
Kündigung vorzunehmen.“
*) Anm.: „Meritorisch“ (verdienstvoll) bedeutet in diesem Zusammenhang, daß das Gericht hier eine marktkonforme Steuerung (einen Verdrängungswettbewerb) nicht zuläßt, sondern zugunsten der Personengruppe der begünstigten Behinderten eingreift, um deren elementare Bedürfnisse zu befriedigen, die sie ansonsten in einem freien Markt nicht befriedigen könnten. Hier wird die Gruppe der begünstigten Behinderten als „verdienstvoll“ bezeichnet, was vom Ursprung dieser Gruppe, den Kriegsinvaliden, herrührt, die sich durch ihren Kriegseinsatz Verdienste um den Staat erworben hat. Dieser Verdienste wegen wird sie vom Staat bevorzugt behandelt.
Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, einem begünstigten
Behinderten den von einem nicht-behinderten Arbeitnehmer besetzten
Arbeitsplatz als Ersatzarbeitsplatz anzubieten, wenn er dazu den
nicht-behinderten Arbeitnehmer kündigen müßte:
Verwaltungsgerichtshof vom 17.12.2007, Geschäftszahl
2006/12/0223:
„Eine Verpflichtung des Dienstgebers,
Verweisungsarbeitsplätze ‚freizumachen‘, kann
(auch) nicht aus § 6 Abs. 1a BEinstG abgeleitet werden, die
den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum
Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz zufolge eine
Umsetzung des Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG darstellt, weil
Voraussetzung aller Vorkehrungen die Angemessenheit darstellt und
die Beendigung eines anderen (Aktiv-)Dienstverhältnisses zu
Gunsten jenes des Behinderten eine Diskriminierung des anderen
Dienstnehmers darstellen würde. Wie aus dem Erwägungsgrund
17** ) zur Richtlinie 2000/78/EG erhellt,
geht die Verpflichtung des Dienstgebers zu angemessenen Vorkehrungen
nicht so weit, dass ihm etwa die Weiterbeschäftigung einer
(behinderten) Person vorgeschrieben wäre, wenn diese Person
für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen des
Arbeitsplatzes oder zur Absolvierung einer bestimmten Ausbildung
nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist.“
**) Anm.: Richtlinie 2000/78/EG, Erwägungsgrund 17: Mit dieser Richtlinie wird unbeschadet der Verpflichtung, für Menschen mit Behinderung angemessene Vorkehrungen zu treffen, nicht die Einstellung, der berufliche Aufstieg, die Weiterbeschäftigung oder die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen einer Person vorgeschrieben, wenn diese Person für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen des Arbeitsplatzes oder zur Absolvierung einer bestimmten Ausbildung nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist.
In besonderen Fällen wird der Arbeitgeber auch dann einen
Ersatzarbeitsplatz anbieten müssen, wenn er dafür einen
anderen nicht behinderten Mitarbeiter versetzen oder kündigen
muß:
Verwaltungsgerichtshof vom 8.9.1998, Geschäftszahl
95/08/0247:
„Da der Kündigungsgegner als Museumsaufseher einen
Arbeitsplatz etwa gleicher Einstufung voll ausfüllen kann und
er als Behinderter schutzwürdiger ist als einer der drei derzeit
im Museum Nordico beschäftigten nichtbehinderten Museumsaufseher,
ist die Berufungskommission der Ansicht, daß das
Kündigungsbegehren der Antragstellerin nicht gerechtfertigt ist.
Es wird vielmehr Sache der Antragstellerin sein, durch entsprechende
Personalmaßnahmen einen Arbeitsplatz für den
Kündigungsgegner im Museum Nordico freizumachen, auch wenn dies
für den betroffenen Mitarbeiter mit einer Versetzung, allenfalls
einer Kündigung verbunden wäre.“
Die Beschwerde der Stadt Linz gegen diese Entscheidung der
Berufungskommission wurde vom Verwaltungsgerichtshof abgewiesen.
Um einen begünstigten Behinderten weiterbeschäftigen zu
können, muß der Arbeitgeber keineswegs einen
betriebsnotwendigen Mitarbeiter kündigen:
Verwaltungsgerichtshof vom 18.1.1996, Geschäftszahl
93/09/0366:
„Es wäre in Ansehung des Beschwerdefalles eine
Überziehung des Kündigungsschutzes im Sinne des
Behinderteneinstellungsgesetzes, wenn zur Aufrechterhaltung des
Dienstverhältnisses mit dem begünstigten Behinderten ein
anderer für den Betrieb notwendiger, erfahrenerer und
älterer Mitarbeiter gekündigt werden
müßte.“
Die Überzahlung auf Grund geringerer Leistungsfähigkeit wegen einer
Behinderung wiegt weniger schwer als diejenige aus einem anderen Grund.
Außerdem sind Förderungsmöglichkeiten in Betracht zu
ziehen:
Verwaltungsgerichtshof vom 22.4.1997, Geschäftszahl
95/08/0039:
„Die im Gesetz verankerte, spezielle Rücksichtnahme auf
die Einschränkungen in der Arbeitsfähigkeit des Behinderten,
die sich in bezug auf seinen konkreten Arbeitsplatz aus der Behinderung
ergeben (vgl in diesem Zusammenhang auch § 6 Abs 1 BEinstG), darf
auch bei der Entscheidung über die Zustimmung zu seiner
Kündigung nicht außer acht gelassen werden. Sie erfordert,
daß einer ‚Überzahlung‘ des Behinderten, die
sich aus seiner durch die Behinderung reduzierten
Leistungsfähigkeit ergibt, im Vergleich zu Fällen, in denen
die ‚Überzahlung‘ auf anderen Ursachen beruht (Hinweis
E 23.4.1996, 96/08/0002), geringeres Gewicht beigemessen und
darüber hinaus auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von
Zuschüssen iSd § 6 Abs 2 lit c BEinstG in die
Gesamtabwägung einbezogen wird.“
Eine Überzahlung am Ersatzarbeitsplatz ist bei der
Interessensabwägung zu berücksichtigen:
Verwaltungsgerichtshof vom 27.2.2004, Geschäftszahl
2002/11/0056:
„Der Nachteil, den ein Dienstgeber dadurch erlitte, daß
ein Dienstnehmer (begünstigter Behinderter) bei einer
Weiterbeschäftigung an dem in Betracht kommenden Arbeitsplatz bei
Fortzahlung seiner bisherigen Bezüge nicht nur geringfügig,
sondern, jedenfalls im Verhältnis zu vergleichbaren Arbeitnehmern,
deutlich überbezahlt wäre, ist als ein Element in die
Gesamtbeurteilung (hier der Frage, ob eine Zustimmung gem. § 8
Abs. 2 BEinstG erteilt werden soll), einzubeziehen (mit
ausführlicher Begründung).“
Bei Überzahlung nach Zuweisung auf einen geringerwertigen
Arbeitsplatz kann nicht geschlossen werden, daß dadurch
höchstwahrscheinlich betriebliche Spannungen entstehen werden:
Verwaltungsgerichtshof vom 23.4.1996, Geschäftszahl
96/08/0002:
„Anders als im Falle einer von vornherein ungleichen
Arbeitsverteilung zu Lasten anderer, die zu einer Störung des
geordneten Betriebsablaufes führen kann (Hinweis E 27.4.1989,
88/09/0124, 0125, VwSlg 12922 A/1989 und E 25.4.1991, 90/09/0139), kann
nicht gesagt werden, daß eine Gehaltsdifferenz (soweit sie den
übrigen Mitarbeitern überhaupt zur Kenntnis gelangt) mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Spannungen führen
wird, weil es dem Dienstgeber bei Beschäftigung einer
begünstigten Behinderten iSd BEinstG auch obliegt, bei Auftreten
allfälliger Beschwerden auf die Mitarbeiter entsprechend
beruhigend und aufklärend einzuwirken.“
Eine Änderungskündigung wegen Überzahlung ist nur dann
zulässig, wenn ihre Annahme vom Willes des zu Kündigenden
abhängt:
Verwaltungsgerichtshof vom 24.9.2003, Geschäftszahl
2001/11/0332:
„Soweit die durch die Verwendung in einer niedrigeren
Verwendungsgruppe entstehende ‚Überzahlung‘ als
für die Zustimmung zur Kündigung gem § 8 Abs 2 BEinstG
sprechender (oder ausschlaggebender) Umstand in Betracht kommt, ist -
vor den Zwecken des BEinstG, dem behinderten Arbeitnehmer tunlichst
einen Arbeitsplatz zu erhalten - sodann auch zu prüfen, ob damit
nicht die Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung (nur)
zu einer Änderungskündigung vorliegen. Eine solche, unter
einer Bedingung - hier: Nichtzustimmung des Arbeitnehmers zu einer
entsprechenden Rückstufung - ausgesprochene Kündigung ist
jedenfalls dann zulässig, wenn der Eintritt der Bedingung vom
Willen des Gekündigten abhängt. Die Erteilung der Zustimmung
zu einer Änderungskündigung setzt allerdings die genaue
Feststellung und (im Falle des Entgelts; auch ziffernmäßige)
Umschreibung der zulässigerweise zu ändernden
Arbeitsbedingungen im Bescheid voraus.“
Eine allfällige Überzahlung am Ersatzarbeitsplatz ist in die
Interessensabwägung einzubeziehen, wenn sich der Arbeitnehmer
weigert, einer Gehaltsreduktion rechtsverbindlich zuzustimmen. Diese
Reduktion hat ihre Grenze erst in der Sittenwidrigkeit:
Verwaltungsgerichtshof vom 24.9.2003, Geschäftszahl
2001/11/0332:
„Ob in der in Betracht kommenden Weiterverwendung eine nicht
nur geringfügige Gehaltsdifferenz auftreten würde, ist (hier
bei der Prüfung der Frage, ob eine Zustimmung gemäß
§ 8 Abs 2 BEinstG erteilt werden soll) in der Weise zu ermitteln,
daß der betroffene Arbeitnehmer - unter voller
Berücksichtigung der in der bisherigen höheren
Verwendungsgruppe zurückgelegten Zeiten (Hinweis E OGH 22.2.1989,
9 ObA 39/89) - in die entsprechende neue Verwendungsgruppe eingereiht,
eine allfällige an diesem Arbeitsplatz betriebsübliche
Überzahlung über den Kollektivvertrag hinzugerechnet und das
so ermittelte Entgelt dem zuletzt bezogenen Entgelt dieses
Dienstnehmers gegenübergestellt wird. Die so ermittelte
Gehaltsdifferenz ist in die von der Behörde vorzunehmende
Abwägung jedenfalls dann einzubeziehen, wenn sich nicht der
Dienstnehmer gegenüber dem Dienstgeber im Verfahren
(rechtsverbindlich, zum Beispiel in Form eines unwiderruflichen Anbots)
bereit erklärt, einer entsprechenden neuen Entgeltvereinbarung,
bestehend in einer Reduktion auf das nach den obigen Grundsätzen
ermittelte Vergleichsentgelt, zuzustimmen.
Verschlechterungsvereinbarungen dieser Art finden ihre Grenze in der
Sittenwidrigkeit.“
Ähnlich ist folgendes Erkenntnis, demzufolge eine Überzahlung
auch die erlaubte Zustimmung zu einer Änderungskündigung
bedeuten kann:
Verwaltungsgerichtshof vom 26.2.2008, Geschäftszahl
2005/11/0088:
„Der VwGH hat sich im Erkenntnis vom 23. April 1996,
96/08/0002, mit den Voraussetzungen für die Erteilung der
Zustimmung gemäß § 8 BehEinstG zu einer
Änderungskündigung befasst und dabei ausgeführt, dass
der Nachteil, den ein Dienstgeber dadurch erleidet, dass ein
Dienstnehmer bei einer Weiterbeschäftigung an dem in Betracht
kommenden Arbeitsplatz bei Fortzahlung seiner bisherigen Bezüge
deutlich überbezahlt ist, als ein Element in die gemäß
§ 8 BEinstG durchzuführende Gesamtbeurteilung einzubeziehen
ist. Ob bei der in Betracht kommenden Weiterverwendung eine nicht nur
geringfügige Gehaltsdifferenz auftritt, ist in der Weise zu
ermitteln, dass der betroffene Arbeitnehmer - unter voller
Berücksichtigung der in der bisherigen höheren
Verwendungsgruppe zurückgelegten Zeiten - in die entsprechende
neue Verwendungsgruppe eingereiht, eine allfällige an diesem
Arbeitsplatz betriebsübliche Überzahlung über den
Kollektivvertrag hinzugerechnet und das so ermittelte Entgelt dem
zuletzt bezogenen Entgelt dieses Dienstnehmers gegenübergestellt
wird. Die so ermittelte Gehaltsdifferenz ist in die von der
Behörde vorzunehmende Abwägung jedenfalls dann einzubeziehen,
wenn sich nicht der Dienstnehmer gegenüber dem Dienstgeber im
Verfahren rechtsverbindlich bereit erklärt, einer entsprechenden
Gehaltsreduktion zuzustimmen. Gibt der behinderte Dienstnehmer eine
solche Erklärung nicht ab, ist die Gehaltsdifferenz als
wirtschaftlicher Nachteil für den Dienstgeber in die bei der
Ermessensübung abzuwägenden Belange einzubeziehen. Soweit
eine solche ‚Überzahlung‘ als für die Zustimmung
zur Kündigung sprechender oder ausschlaggebender Umstand in
Betracht kommt, ist auch zu prüfen, ob damit die Voraussetzungen
für die Erteilung der Zustimmung (nur) zu einer
Änderungskündigung vorliegen. Die Erteilung der Zustimmung zu
einer Änderungskündigung setzt allerdings die genaue
Feststellung und ziffernmäßige Umschreibung der
zulässigerweise zu ändernden Arbeitsbedingungen im Bescheid
voraus (Hinweis E 24. September 2003, 2001/11/0332).“
Mögliche Änderungskündigung bei
Überzahlung:
Verwaltungsgerichtshof vom 26.02.2008, Geschäftszahl
2005/11/0088:
„Ausgehend von der durch § 8 BEinstG gebotenen
Interessenabwägung ist im Fall einer Änderungskündigung
zu prüfen, ob dem Dienstgeber die Fortsetzung des
Dienstverhältnisses zu den bisherigen Bedingungen, also die
Aufrechterhaltung der ‚Überzahlung‘, oder dem
Dienstnehmer die Entgeltreduktion eher zugemutet werden
kann.“
Betriebliche Gründe alleine rechtfertigen die Kündigung eines
begünstigten Behinderten nicht, außer wenn sie den
Fortbestand des Unternehmens gefährden; im allgemeinen wird ein
Ersatzarbeitsplatz anzubieten sein:
Verwaltungsgerichtshof vom 26.2.2002, Geschäftszahl
96/08/0002:
„Betriebliche Belange reichen in der Regel für eine
Zustimmung zur in Aussicht genommenen Kündigung eines
begünstigten Behinderten nicht aus, es sei denn, die
Kündigung dieses begünstigten Behinderten ist unabdingbar, um
nicht das Fortbestehen des Unternehmens konkret zu gefährden. Zwar
dürfen die zur Entscheidung berufenen Verwaltungsbehörden
nicht die Zweckmäßigkeit einer unternehmerischen
Entscheidung überprüfen, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes
eines behinderten Arbeitnehmers führt bzw bei Veränderung des
Arbeitsplatzes die Einsatzfähigkeit des behinderten Arbeitnehmers
für diese Arbeit nicht mehr zuläßt. Sie haben jedoch
festzustellen, ob in dem Betrieb bzw dem Unternehmen, in dem der
behinderte Arbeitnehmer beschäftigt ist, noch andere
Arbeitsplätze vorhanden sind, auf denen der Arbeitnehmer unter
Berücksichtigung seiner eingeschränkten
Leistungsfähigkeit tätig werden könnte.“
Auch betriebliche Gründe können eine Kündigung
rechtfertigen; ein persönliches Verschulden ist nicht
erforderlich:
Verwaltungsgerichtshof vom 26.2.2008, Geschäftszahl
2005/11/0088:
„Die Kündigungsgründe iSd § 8 Abs 2 BEinStG
brauchen nicht in der Person des Gekündigten zu liegen;
insbesondere ist kein Verschulden auf seiten des Gekündigten
erforderlich, sondern können an sich auch sachliche, im Betrieb
gelegene Gründe genügen (Hinweis E 21.5.1954, 3402/53 ua).
“
Personalabbau im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen
rechtfertigen für sich alleine genommen noch nicht die
Kündigung eines begünstigten Behinderten:
Verwaltungsgerichtshof vom 18.1.2000, Geschäftszahl
99/11/0144:
„Damit, dass die Kündigung des Behinderten im Rahmen
eines betriebswirtschaftlich notwendigen Personalabbaus erfolgt sei,
wird nicht dargetan, dass die Weiterbeschäftigung des Behinderten
- allenfalls verbunden mit der Notwendigkeit der Kündigung eines
nicht kündigungsgeschützten Arbeitnehmers - unmöglich
ist.“
Bei Rationalisierungsmaßnahmen in einem (Teil-)Betrieb eines
Unternehmens ist die Gesamtsituation des Unternehmens zu
berücksichtigen, und es ist zu prüfen, ob durch die
beabsichtige Kündigung eines begünstigten Behinderten die
erwünschte Auswirkung auf die Wirtschaftslage des Unternehmens
erzielt werden kann:
Verwaltungsgerichtshof vom 18.06.2008, Geschäftszahl
2008/11/0048:
„Im Falle von Rationalisierungsmaßnahmen und damit
einhergehenden Kündigungen von Arbeitnehmern hat eine Zustimmung
zur Kündigung nur dann zu erfolgen, wenn dem Dienstgeber eine
Weiterbeschäftigung des Dienstnehmers iSd § 8 Abs. 3 und 4
BEinstG nicht zugemutet werden kann. Zur Klärung dieser Frage hat
die Behörde die wirtschaftliche ‚Gesamtsituation‘
festzustellen und weiters zu prüfen, ob mit der beabsichtigten
Maßnahme tatsächlich die erwünschte Auswirkung auf die
Wirtschaftslage des Unternehmens erzielt werden kann. Ginge man
demgegenüber von der Ansicht, dass schon wirtschaftliche
Schwierigkeiten bzw. Notwendigkeiten in einem Teilbereich eines
Unternehmens die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten
Behinderten rechtfertigten, so läge es in der Hand eines
Arbeitgebers, durch betriebsinterne Maßnahmen wirtschaftlich
unrentable Organisationseinheiten bzw Betriebsbereiche zu schaffen und
damit die Kündigung der in diesen Bereichen beschäftigten
begünstigten Behinderten zu erreichen, was dem Schutzgedanken des
§ 8 BEinstG zuwiderliefe (Hinweis E 26. Februar 2008,
2005/11/0088).“
Bei betriebswirtschaftlich notwendigen Rationalisierungsmaßnahmen
kann nicht argumentiert werden, daß durch die Kündigung
eines einzelnen begünstigten Behinderten der erwünschte
wirtschaftliche Effekt erzielt wird:
Verwaltungsgerichtshof vom 26.02.2008, Geschäftszahl
2005/11/0088:
„Die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit von
Rationalisierungsmaßnahmen ist grundsätzlich von der
Behörde in einem Verfahren betreffend Zustimmung zur
Kündigung nach dem BEinstG nicht zu prüfen; bei gegebener
Dringlichkeit der betrieblichen Erfordernisse besteht insoweit
unternehmerische Entscheidungsfreiheit. Doch muss der Dienstgeber bei
der Beurteilung einer mit dem Ziel der Reduktion eines von ihm als
überhöht angesehenen Gehaltsniveaus beabsichtigten
Änderungskündigung die Prüfung in Kauf nehmen, ob mit
der beabsichtigten Maßnahme tatsächlich die erwünschte
Auswirkung auf die Wirtschaftslage des Unternehmens erzielt wird: Bei
der - vergleichbaren - Entscheidung über die Anfechtung einer
Kündigung wegen Sozialwidrigkeit (nach § 105 Abs. 3 Z 2
ArbVG) kann die Kündigung - bei Erfüllung weiterer
Voraussetzungen - angefochten werden, wenn sie wesentliche Interessen
des Arbeitnehmers beeinträchtigt, es sei denn, der Betriebsinhaber
erbringt den Nachweis, dass die Kündigung durch Umstände, die
in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen
Interessen nachteilig berühren (lit. a), oder durch betriebliche
Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers
entgegen stehen (lit. b), begründet ist) wurde vom OGH bereits
klargestellt (Hinweis Urteil OGH 5. September 2001, 9 ObA 199/01g),
dass bei der gebotenen Prüfung, ob die Sanierungsmaßnahme
durch die Kündigung verwirklicht werden kann, der Arbeitgeber
seiner Verpflichtung zur Darlegung und zum Beweis der wirtschaftlichen
Betriebsbedingtheit der Kündigung dann nicht entsprochen hat, wenn
lediglich gegenüber einem Arbeitnehmer eine Reduktion des Gehalts
gefordert wird. Da der Verzicht eines einzelnen Arbeitnehmers
nämlich regelmäßig so gut wie keine Auswirkungen auf
die zur erfolgreichen Sanierung des Gesamtunternehmens erforderliche
Senkung des Lohn- und Gehaltsaufwandes haben werde, sei in einem
solchen Fall vielmehr die Senkung aller Überentlohnungen
erforderlich. Diese Grundsätze sind auf Fälle, in denen zu
prüfen ist, ob die Änderungskündigung auf Grund
objektiver betrieblicher Umstände erforderlich ist, zu
übertragen. (Hier: Es wurden weder von der erstinstanzlichen noch
von der belBeh ausreichende Feststellungen zu dem im Unternehmen
insgesamt bestehenden Gehaltsniveau und zu den von der mitbeteiligten
Partei getroffenen Maßnahmen zur Reduktion der gesamten Lohn-
bzw. Gehaltsaufwendungen getroffen, die es der belBeh
ermöglichten, zu prüfen, ob der mitbeteiligten Partei durch
die Weiterbeschäftigung des Bf zu den bisherigen Bedingungen ein
erheblicher Schaden iSd § 8 Abs 4 lit a BEinstG entstünde.
Der Umstand, dass der Bezug des Bf ‚eindeutig
überhöht‘ ist, macht es nicht entbehrlich, die
Gesamtsituation festzustellen. Angesichts der unvollständigen
Feststellungen der belBeh ist der von ihr als entscheidend erachtete
Abwägungsgesichtspunkt daher nicht ausreichend
begründet.)“
Ein den Betrieb oder Betriebsfrieden störendes Verhalten des
Arbeitnehmers ist ein wesentlicher Aspekt bei der
Interessensabwägung:
Verwaltungsgerichtshof vom 29.09.2005, Geschäftszahl
2004/11/0043
„Als für die Frage der (Un)Zumutbarkeit der
Weiterbeschäftigung eines begünstigten Behinderten für
den Dienstgeber bedeutsamen Gesichtspunkt hat die Behörde
insbesondere zu berücksichtigen, dass es nicht im Sinn des BEinstG
liegt, begünstigten Personen dann einen besonderen Schutz zu
verleihen, wenn sie sich gar nicht oder nur störend in die
Organisation des Betriebes, dem sie angehören, eingliedern, wobei
es auf ein Verschulden des begünstigten Behinderten nicht ankommt
(Hinweis E 17. März 2005, 2003/11/0163). Nichts anderes kann
gelten, wenn sich der Betreffende Jahre lang in die Organisation des
Betriebes störungsfrei eingliederte, dies jedoch in der Folge
änderte.“
Es ist das ein ziemlich problematisches Urteil. Es erging in einem
Verfahren gegen einen begünstigten Behinderten, der gegen
Arbeitskollegen grob ausfällig geworden war. Die Beleidigungen
seiner Kolleginnen und Kollegen waren nach Aussage des Gekündigten
auf Mobbing zurückzuführen. Das Gericht ging dem aber nicht
nach und bewertete die Unruhe im Betrieb als schwerwiegender als die
Pflicht des Arbeitgebers zum Angebot eines Ersatzarbeitsplatzes, etwa
aus dem Titel der Fürsorgepflicht.
Damit ergibt sich das Bild, daß ein Arbeitgeber (oder auch
Kollegen) einen begünstigten Behinderten zunächst durch
Mobbing soweit bringen müssen, daß er ausrastet, um ihn dann
der Störung des Betriebsfriedens beschuldigen zu dürfen, um
ihn loszuwerden.
Auch wenn das den Betrieb oder Betriebsfrieden störende Verhalten
des Arbeitnehmers krankheitsbedingt ist, kann es bei der
Interessensabwägung als Kündigungsgrund gewertet werden, wenn
es als „entlassungsreif“ anzusehen ist:
Verwaltungsgerichtshof vom 25.4.1991, Geschäftszahl
90/09/0139
„Nicht im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes liegt es,
begünstigten Personen dann einen besonderen Schutz zu verleihen,
wenn sie sich gar nicht oder nur störend in die Organisation des
Betriebes, dem sie angehören, eingliedern, vor allem aber, wenn
sie den Betriebsfrieden stören (Hinweis E 7.5.1956, 2247/55,
VwSlg 4063 A/1956).“
In dem dem Rechtssatz zugrunde liegenden Fall war die Störung des
Betriebsfriedens, also die „entlassungsreife“
Verhaltensweise des Gekündigten auf dessen Behinderung (Epilepsie)
zurückzuführen; trotzdem „rechtfertigt schon allein
ein solches zu mehrfachen Ermahnungen Anlaß gebendes Verhalten
des Beschwerdeführers die Zustimmung zur Kündigung, weil es
keinem Zweifel unterliegen kann, daß dadurch der Betriebsfrieden
gestört worden ist. Ein Verschulden des Beschwerdeführers ist
aber nach der zitierten Rechtsprechung nicht erforderlich.“
Es gibt mehrere ähnliche Entscheidungen.
Eine von Mitarbeitern als den Betriebsfrieden störend empfundene
ständige Beschwerde wegen Nichtbeachtung des Rauchverbotes ist
dann keine Störung des Betriebsfriedens, wenn den Arbeitgeber
Versäumnisse im Nichtraucherschutz anzulasten sind:
Verwaltungsgerichtshof vom 18.1.2000, Geschäftszahl
99/11/0144
„Im Hinblick auf Versäumnisse des Arbeitgebers im Rahmen
des Nichtraucherschutzes (§ 30 ASchG) ist in dem problembeladenen
Verhältnis des Behinderten zu anderen Mitarbeitern kein im Rahmen
der Interessenabwägung gemäß § 8 Abs 2 BEinstG ins
Gewicht fallendes Fehlverhalten des Behinderten zu
erblicken.“
Verschlechterungsvereinbarungen beim Angebot eines Ersatzarbeitsplatzes
haben ihre Grenze in der Sittenwidrigkeit:
Verwaltungsgerichtshof vom 24.9.2003, Geschäftszahl
2001/11/0332
„Ob in der in Betracht kommenden Weiterverwendung eine nicht
nur geringfügige Gehaltsdifferenz auftreten würde, ist (hier
bei der Prüfung der Frage, ob eine Zustimmung gem § 8 Abs 2
BEinstG erteilt werden soll) in der Weise zu ermitteln, daß der
betroffene Arbeitnehmer - unter voller Berücksichtigung der in
der bisherigen höheren Verwendungsgruppe zurückgelegten
Zeiten (Hinweis E OGH 22.2.1989, 9 ObA 39/89) - in die entsprechende
neue Verwendungsgruppe eingereiht, eine allfällige an diesem
Arbeitsplatz betriebsübliche Überzahlung über den
Kollektivvertrag hinzugerechnet und das so ermittelte Entgelt dem
zuletzt bezogenen Entgelt dieses Dienstnehmers gegenübergestellt
wird. Die so ermittelte Gehaltsdifferenz ist in die von der Beh
vorzunehmende Abwägung jedenfalls dann einzubeziehen, wenn sich
nicht der Dienstnehmer gegenüber dem Dienstgeber im Verfahren
(rechtsverbindlich, zum Beispiel in Form eines unwiderruflichen Anbots)
bereit erklärt, einer entsprechenden neuen Entgeltvereinbarung,
bestehend in einer Reduktion auf das nach den obigen Grundsätzen
ermittelte Vergleichsentgelt, zuzustimmen.
Verschlechterungsvereinbarungen dieser Art finden ihre Grenze in der
Sittenwidrigkeit.“
Die Weigerung eines begünstigten Behinderten, im Verfahren vor dem
Behindertenausschuß einer Verschlechterung seines
Arbeitsvertrages zuzustimmen, rechtfertigt nicht die Zustimmung des
Behindertenausschusses zur Kündigung:
Verwaltungsgerichtshof vom 23.4.1996, Geschäftszahl
96/08/0002:
„Die Weigerung des behinderten Dienstnehmers, schon im
Zustimmungsverfahren iSd § 8 Abs 2 BEinstG einer vertraglichen
Änderung seines Arbeitsvertrages im Entgeltbereich zuzustimmen,
vermag die Zustimmung zu einer Kündigung des gesamten
Arbeitsverhältnisses noch nicht zu begründen: Zum einen aus
der Überlegung, daß es dem Dienstnehmer unbenommen sein
muß, seinem Rechtsstandpunkt im Verfahren auch durch Anrufung
eines Höchstgerichtes Geltung zu verschaffen (was nicht
möglich wäre, wenn schon dieses Verhalten einen Grund
für die Zustimmung zur Kündigung des
Arbeitsverhältnisses geben würde); zum anderen muß dem
Dienstnehmer Gelegenheit gegeben werden, sich erst dann, wenn sich der
Dienstgeber nach Erteilung der Zustimmung zu einer
Änderungskündigung tatsächlich entschlossen hat,
für oder gegen den Fortbestand des Dienstverhältnisses zu
entscheiden, welche Entscheidung dann auch der Dienstgeber gegen sich
gelten lassen muß.“
Eine beschränkte Arbeitsfähigkeit eines Behinderten ist kein
Argument für die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung:
Verwaltungsgerichtshof vom 4.7.1995, Geschäftszahl
94/08/0220:
„Die bloße beschränkte Arbeitsfähigkeit des
begünstigten Behinderten (hier: Verrichtung lediglich einfacher
Hilfsarbeiten mit einer zweiten Person) allein stellt kein
schlüssiges Argument dafür dar, daß dem Dienstgeber
seine weitere Beschäftigung (allenfalls unter Inanspruchnahme
weiterer Beihilfen) nicht mehr zumutbar wäre. Würde man
nämlich dieser Argumentation folgen, dann wäre damit im
Ergebnis gerade die Behinderung des begünstigten Behinderten der
letztlich ausschlaggebende Grund für seine Ausgliederung aus dem
Arbeitsprozeß, was den Intentionen des BEinStG diametral
zuwiderliefe (Hinweis E 13.9.1994, 93/09/0346, 0358).“
Eingeschränkte Arbeitsfähigkeit ist kein Grund für eine
Zustimmung zur Kündigung:
Verwaltungsgerichtshof vom 22.4.1997, Geschäftszahl
95/08/0039:
„Eine aufgrund der Behinderung gegebene
‚beschränkte Arbeitsfähigkeit‘ ist allein
‚noch kein schlüssiges Argument dafür‘, daß
die Weiterbeschäftigung des begünstigten Behinderten
‚nicht mehr zumutbar‘ wäre. Würde man
nämlich ‚dieser Argumentation folgen, dann wäre damit
im Ergebnis gerade die Behinderung des Dienstnehmers der letztlich
ausschlaggebende Grund für seine Ausgliederung aus dem
Arbeitsprozeß, was den Intentionen des BEinstG diametral
zuwiderliefe‘ (Hinweis E 13.9.1994, 93/09/0346, 0358, E 4.7.1995,
94/08/0220).“
Die Ablehnung einer Berufsunfähigkeitspension durch die
Pensionsversicherung bedeutet nicht, daß einer
Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit nicht zugestimmt werden
darf:
Verwaltungsgerichtshof vom 24.4.2007, Geschäftszahl
2005/11/0127:
„Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der
Berufsunfähigkeitspension nach § 273 Abs. 1 ASVG (als
berufsunfähig gilt ein Versicherter, dessen Arbeitsfähigkeit
infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger
als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig
gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen
Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist) sind andere, als
diejenigen für die Zustimmung zur Kündigung nach § 8
Abs. 4 lit. b BEinstG.“
Der Verlust der Arbeitsfähigkeit rechtfertigt die Zustimmung zu
einer erst auszusprechenden Kündigung, nicht aber die
nachträgliche Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen
Kündigung:
Verwaltungsgerichtshof vom 13.8.2003, Geschäftszahl
2002/11/0207:
„Nach § 8 Abs. 4 lit. b BEinstG idF der Novelle BGBl. I
Nr. 17/1999 ist der Verlust der Fähigkeit des begünstigten
Behinderten, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, im
Zusammenhalt mit der Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung
ein Grund, im Rahmen der Interessenabwägung dem Dienstgeber nicht
die Fortsetzung des Dienstverhältnisses zuzumuten, dies mit der
Folge, dass die Zustimmung zu einer (erst auszusprechenden)
Kündigung zu erteilen sein wird. Ein ‚besonderer
Ausnahmefall‘ iSd § 8 Abs 2 BEinstG idF 1999/I/017 liegt
darin jedoch nicht. Der der Bfin aus der Verpflichtung, der
Mitbeteiligten bis zur Wirksamkeit der Kündigung das Gehalt zu
zahlen, entstehende Nachteil lässt somit nicht den Schluss auf
das Vorliegen eines ‚besonderen Ausnahmefalles‘ zu
(Hinweis E 26. Februar 2002, 99/11/0250).“
Übermäßige Krankenstandszeiten können dem
Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung unzumutbar machen:
Oberster Gerichtshof vom 19.5.1993, Geschäftszahl
9 Ob A
85/93: „Treten Krankenstände auf, die den
Bediensteten laufend in einem weit über dem Durchschnitt liegenden
Maß an der Dienstleistung hindern, so ist er zur Erfüllung
seiner Dienstpflichten ungeeignet. Auf welche Gründe diese -
berechtigten - Krankenstände zurückzuführen sind, ist
nicht erheblich (hier: Krankenstände im Ausmaß von zehn
Wochen jährlich).“
Die Kündigung eines Behinderten kann gerechtfertigt sein, wenn die
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit keine entsprechende
Verwendung mehr zuläßt:
Oberster Gerichtshof vom 17.4.1997, Geschäftszahl
8 Ob A
99/97k: „Es ist schlechthin unverständlich bei einer
auf 30 bis 40 % der Wochenarbeitszeit verminderten, selektiven, dh auf
bestimmte, die Leistungsfähigkeit nicht überschreitende
Arbeiten eingeschränkten, Arbeitsfähigkeit zu bezweifeln,
daß der Kündigungsgrund (mangelnde körperliche und
geistige Eignung für eine entsprechende Verwendung und
Nichterreichen des allgemein erzielbaren Arbeitserfolges § 35 Abs
2 lit b und c des Steiermärkischen
Gemeindevertragsbedienstetengesetzes) erfüllt ist, dh nach den
getroffenen Feststellungen kann der Kläger 60 bis 70 % der in
seinen Aufgabenbereich fallenden Aufgaben nicht ausführen. Der
Zweck des Behinderteneinstellungsgesetzes ist darin gelegen, die
Nachteile der Behinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
auszugleichen; das Gesetz bezweckt nicht, die zu schützenden
Behinderten praktisch unkündbar zu machen (VwSlg 13.126 A). Die
Handlungspflichten eines Arbeitgebers entsprechen nicht denen des
Trägers einer geschützten Werkstätte (§ 11
BEinstG), zumal die beklagte Marktgemeinde ihren Bürgern
gegenüber zur Sparsamkeit verpflichtet ist.“
Grenzen des Kündigungsschutzes
Verwaltungsgerichtshof vom 26.2.2002, Geschäftszahl
99/11/0250:
„Unter Bedachtnahme auf § 8 Abs 3 BEinstG soll der in
diesem Gesetz normierte Kündigungsschutz nach dem Willen des
Gesetzgebers jedenfalls nicht weiter gehen als etwa im Falle eines
Betriebsratsmitgliedes.“
Die Zuerkennung einer unbefristeten Berufsunfähigkeitspension kann
die Kündigung eines begünstigten Behinderten rechtfertigen:
Verwaltungsgerichtshof vom 19.8.1997, Geschäftszahl
94/08/0213:
„Die von der Pensionsversicherungsanstalt festgestellte
dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne des ASVG impliziert auch die
gemäß § 121 Z 2 ArbVG für den Betriebsinhaber
geforderte Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung eines
Betriebsratsmitgliedes. Unter Bedachtnahme auf § 8 Abs 3 BEinstG
soll der im BEinstG normierte Kündigungsschutz jedenfalls nicht
weiter gehen als etwa im Fall eines Betriebsratsmitgliedes.“
Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, einen nicht behinderten
Mitarbeiter zu kündigen, damit er einen begünstigten
Behinderten, dessen Arbeitsplatz entfallen ist, weiterbeschäftigen
kann:
Verwaltungsgerichtshof vom 17.9.2008, Geschäftszahl
2007/12/0144:
„Eine Verpflichtung des Dienstgebers,
Verweisungsarbeitsplätze ‚freizumachen‘, kann (auch)
nicht aus § 6 Abs. 1a BEinstG abgeleitet werden, die den
Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum
Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz zufolge eine Umsetzung
des Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG darstellt, weil Voraussetzung
aller Vorkehrungen die Angemessenheit darstellt und die Beendigung
eines anderen (Aktiv-)Dienstverhältnisses zu Gunsten jenes des
Behinderten eine Diskriminierung des anderen Dienstnehmers darstellen
würde. Wie aus dem Erwägungsgrund 17 zur Richtlinie
2000/78/EG erhellt, geht die Verpflichtung des Dienstgebers zu
angemessenen Vorkehrungen nicht so weit, dass ihm etwa die
Weiterbeschäftigung einer (behinderten) Person vorgeschrieben
wäre, wenn diese Person für die Erfüllung der
wesentlichen Funktionen des Arbeitsplatzes oder zur Absolvierung einer
bestimmten Ausbildung nicht kompetent, fähig oder verfügbar
ist.“
Zuletzt aktualisiert am 2. Jänner 2017