Rechte und Schutz der begünstigten Behinderten
Sozial- und Behindertenpolitik
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Behindertenvertretung (Praxis)
Für den Inhalt verantwortlich:
Bernhard Hampl
Inhalt: | 1. | Gesetzestext |
2. | Änderungen per 1.1.2011 | |
3. | Aktualisierung (fehlt!) |
Im betrieblichen Bereich gibt es zwei Gruppen von Arbeitnehmern, denen der Gesetzgeber eine eigene Vertretung (abgesehen vom Betriebsrat) zugesteht: Den jugendlichen Arbeitnehmern (bis zum vollendeten 18. Lebensjahr, bei Lehrlingen bis zum vollendeten 21. Lebensjahr) und den begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes. Während die Jugendvertretung direkt im Arbeitsverfassungsgesetz geregelt ist (§§ 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 131a, 131b, 131c, 131d, 131e und 131f ArbVG), ist die Behindertenvertretung in einem Spezialgesetz, dem Behinderteneinstellungsgesetz geregelt (§ 22a BEinstG):
§ 22a BEinstG: | ||
Abs. 1: | Sind in einem Betrieb dauernd mindestens fünf begünstigte Behinderte (§ 2 Abs. 1 und 3) beschäftigt, so sind von diesen nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen Behindertenvertrauenspersonen (Stellvertreter) als Organ zu wählen. Sind in einem Betrieb dauernd mindestens 15 begünstigte Behinderte beschäftigt, so sind für die Behindertenvertrauensperson zwei Stellvertreter zu wählen. Sind in einem Betrieb dauernd mindestens 40 begünstigte Behinderte beschäftigt, so sind für die Behindertenvertrauensperson drei Stellvertreter zu wählen. Die Stellvertreter können im Auftrag der Behindertenvertrauensperson Aufgaben im Sinne der Abs. 7 und 8 auch im Falle der Anwesenheit der Behindertenvertrauensperson wahrnehmen. Erforderlichenfalls kann eine Geschäftsordnung erlassen werden. | |
Abs. 2: | Die Wahl der Behindertenvertrauensperson und der Stellvertreter ist tunlichst gemeinsam mit der Betriebsratswahl durchzuführen. Gehören jeder Gruppe der Arbeitnehmer mehr als fünf begünstigte Behinderte an, so ist bei jeder Gruppe auch die Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) mitzuwählen. Sind mehr als fünf begünstigte Behinderte beschäftigt, die unterschiedlichen Gruppen zuzurechnen sind, und nur eine Gruppe umfaßt mehr als fünf begünstigte Behinderte, so ist bei dieser Gruppe mitzuwählen. Gehören keiner Gruppe mehr als fünf begünstigte Behinderte an, so ist die Wahl mit der Gruppe der Arbeitnehmer durchzuführen, der die größere Zahl der begünstigten Behinderten angehört, bei gleicher Zahl bei der Arbeitnehmergruppe, die mehr Betriebsratsmitglieder zu wählen hat. Wird nur ein Betriebsrat gewählt, so ist die Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) bei diesem mitzuwählen. | |
Abs. 3: | Wahlberechtigt sind alle begünstigten Behinderten des Betriebes, die am Tag der Wahlausschreibung und am Tag der Wahl im Betrieb beschäftigt sind. | |
Abs. 4: | Wählbar sind alle begünstigten Behinderten des Betriebes, die am Tag der Wahl seit mindestens sechs Monaten im Betrieb beschäftigt sind und das 18. Lebensjahr vollendet haben. | |
Abs. 5: | Auf die Durchführung und Anfechtung der Wahl der Behindertenvertrauenspersonen (Stellvertreter) sind die Bestimmungen der § 51 Abs. 1, § 53 Abs. 3, 5 und 6 sowie §§ 55 bis 60 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974, sinngemäß anzuwenden. Zur Anfechtung der Wahl ist auch jeder im Betrieb bestehende Betriebsrat berechtigt. Das Ergebnis der Wahl der Behindertenvertrauenspersonen ist auch dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bekanntzugeben. | |
Abs. 6: | Die Tätigkeitsdauer der Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) beträgt vier Jahre. Sie beginnt mit dem in § 31 Abs. 1 des Arbeitsverfassungsgesetzes genannten Zeitpunkt und endet mit Ablauf der Funktionsperiode. Im übrigen sind für die vorzeitige Beendigung und das Erlöschen der Funktion §§ 62 und 64 Abs. 1 und 4 des Arbeitsverfassungsgesetzes sinngemäß anzuwenden. Die Tätigkeitsdauer endet ferner, wenn in einer Versammlung aller begünstigten Behinderten des Betriebes die Mehrheit die Enthebung ihrer Behindertenvertrauenspersonen (Stellvertreter) beschließt. Die Versammlung kann von dem an Lebensjahren ältesten begünstigten Behinderten einberufen werden. | |
Abs. 7: | Die Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) ist berufen, die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der begünstigten Behinderten im Einvernehmen mit dem Betriebsrat wahrzunehmen. Die Behindertenvertrauensperson ist befugt, einmal jährlich eine Versammlung aller begünstigten Behinderten des Betriebes einzuberufen. Hat die Behindertenvertrauensperson einen Stellvertreter mit dieser Aufgabe betraut, so hat dieser die Einberufung vorzunehmen. Der Betriebsrat ist verpflichtet, der Behindertenvertrauensperson bei der Wahrnehmung der besonderen Belange der begünstigten Behinderten beizustehen und die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. | |
Abs. 8: | Die Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) ist insbesondere berufen, | |
a) | auf die Anwendung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes hinzuwirken und darüber zu wachen, daß die Vorschriften, die für das Arbeitsverhältnis begünstigter Behinderter gelten, eingehalten werden; | |
b) | über wahrgenommene Mängel dem Betriebsrat, dem Betriebsinhaber und erforderlichenfalls den zum Schutz der Arbeitnehmer geschaffenen Stellen Mitteilung zu machen und auf die Beseitigung dieser Mängel hinzuwirken; | |
c) | Vorschläge in Fragen der Beschäftigung, der Aus- und Weiterbildung, beruflicher und medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen zu erstatten und auf die besonderen Bedürfnisse von behinderten Arbeitnehmern hinzuweisen; | |
d) | an allen Sitzungen des Betriebsrates und des Betriebsausschusses sowie von Ausschüssen des Betriebsrates nach § 69 Abs. 4 ArbVG mit beratender Stimme teilzunehmen, es sei denn ein Stellvertreter wurde mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe betraut. | |
Abs. 9: | Der Betriebsinhaber ist verpflichtet, mit der Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) zu beraten und die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünfte zu erteilen, insbesondere hat er die Behindertenvertrauensperson über substanzielle, das Arbeitsverhältnis betreffende Angelegenheiten wie Beginn, Ende und Veränderung von Arbeitsverhältnissen behinderter Arbeitnehmer, über Arbeitsunfälle sowie über Krankmeldungen von mehr als sechs Wochen pro Kalenderjahr zu informieren. | |
Abs. 10: | Auf die persönlichen Rechte und Pflichten der Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) sind die Bestimmungen des 4. Hauptstückes des II. Teiles des Arbeitsverfassungsgesetzes bzw. die in Ausführung der §§ 218 bis 225 des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, ergangenen landesrechtlichen Vorschriften sinngemäß anzuwenden. | |
Abs. 11: | Besteht in einem Unternehmen ein Zentralbetriebsrat nach § 80 des Arbeitsverfassungsgesetzes, so sind von den Behindertenvertrauenspersonen und den Stellvertretern aus ihrer Mitte mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen eine Zentralbehindertenvertrauensperson und ein Stellvertreter zu wählen. Die Wahl ist gültig, wenn zumindest die Hälfte der Wahlberechtigten anwesend ist. Wurde im Unternehmen nur eine Behindertenvertrauensperson und ein Stellvertreter gewählt, so üben diese auch die Funktion der Zentralbehindertenvertrauensperson und des Stellvertreters aus. § 57 des Arbeitsverfassungsgesetzes ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß das Ergebnis der Wahl der Zentralbehindertenvertrauensperson und des Stellvertreters auch dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bekanntzugeben ist. Die Zentralbehindertenvertrauensperson (Stellvertreter) ist berufen, im Zentralbetriebsrat unter Beachtung der Abs. 7 und 8 die Interessen der begünstigten Behinderten wahrzunehmen. Der Zentralbetriebsrat ist verpflichtet, der Zentralbehindertenvertrauensperson (Stellvertreter) bei der Wahrnehmung der besonderen Belange der begünstigten Behinderten beizustehen und die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die Zentralbehindertenvertrauensperson (Stellvertreter) ist befugt, höchstens zweimal jährlich eine Versammlung aller Behindertenvertrauenspersonen des Unternehmens einzuberufen, um über ihre Tätigkeit zu berichten und Angelegenheiten, die für die begünstigten Behinderten des Unternehmens von Bedeutung sind, zu erörtern. | |
Abs. 12: | Die Tätigkeitsdauer der Zentralbehindertenvertrauensperson (ihres Stellvertreters) beträgt vier Jahre; sie beginnt mit der Annahme der Wahl und endet vor Ablauf dieser Zeit, wenn | |
1. | im Unternehmen kein Zentralbetriebsrat mehr besteht; | |
2. | die Funktion als Behindertenvertrauensperson endet (Abs. 6); | |
3. | die Zentralbehindertenvertrauensperson zurücktritt. | |
Abs. 13: | Besteht in einem Konzern eine Konzernvertretung nach § 88a des Arbeitsverfassungsgesetzes, so sind von den Zentralbehindertenvertrauenspersonen und deren Stellvertretern aus ihrer Mitte mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen eine Konzernbehindertenvertrauensperson und ein Stellvertreter zu wählen. Ist in einem Konzernunternehmen eine Zentralbehindertenvertrauensperson nicht zu wählen, so nehmen an der Wahl der Konzernbehindertenvertrauensperson die Behindertenvertrauenspersonen und deren Stellvertreter teil. Die Wahl ist gültig, wenn zumindest die Hälfte der Wahlberechtigten anwesend ist. Wurde im Konzern nur eine Zentralbehindertenvertrauensperson und ein Stellvertreter gewählt, so üben diese auch die Funktion der Konzernbehindertenvertrauensperson und des Stellvertreters aus. § 57 des Arbeitsverfassungsgesetzes ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß das Ergebnis der Wahl der Konzernbehindertenvertrauensperson und des Stellvertreters auch dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bekanntzugeben ist. Die Konzernbehindertenvertrauensperson (Stellvertreter) ist berufen, in der Konzernvertretung unter Beachtung der Abs. 7 und 8 die Interessen der begünstigten Behinderten wahrzunehmen. Die Konzernvertretung ist verpflichtet, der Konzernbehindertenvertrauensperson (Stellvertreter) bei der Wahrnehmung der besonderen Belange der begünstigten Behinderten beizustehen und die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die Konzernbehindertenvertrauensperson (Stellvertreter) ist befugt, höchstens zweimal jährlich eine Versammlung aller Zentralbehindertenvertrauenspersonen des Konzerns einzuberufen, um über ihre Tätigkeit zu berichten und Angelegenheiten, die für die begünstigten Behinderten des Konzerns von Bedeutung sind, zu erörtern. | |
Abs. 14: | Die Tätigkeitsdauer der Konzernbehindertenvertrauensperson (ihres Stellvertreters) beträgt vier Jahre; sie beginnt mit der Annahme der Wahl und endet vor Ablauf dieser Zeit, wenn | |
1. | im Konzern keine Konzernvertretung mehr besteht; | |
2. | die Funktion als Zentralbehindertenvertrauensperson endet (Abs. 12); | |
3. | die Konzernbehindertenvertrauensperson zurücktritt. | |
Abs. 15: | Der Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) sind zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben Räumlichkeiten, Kanzlei- und Geschäftserfordernisse sowie sonstige Sacherfordernisse in einem der Größe des Betriebes und den Bedürfnissen der Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) angemessenen Ausmaß vom Betriebsinhaber unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Desgleichen hat der Betriebsinhaber unentgeltlich für die Instandhaltung der bereitgestellten Räumlichkeiten und Gegenstände zu sorgen. Die den Behindertenvertrauenspersonen (Abs. 1, 11 und 13) in Ausübung ihrer Tätigkeit erwachsenen Barauslagen sind, sofern kein Ersatz auf Grund anderer Rechtsvorschriften geleistet werden kann, aus Mitteln des Ausgleichstaxfonds zu ersetzen. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat die Barauslagen nach Maßgabe der vom Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu erlassenden Richtlinien zu erstatten. |
Was bei der Jugendvertretung relativ ausführich geregels ist (§§ 123 bis 132f ArbVG, siehe oben), ist bei der Behindertenvertretung nur ungenau und vage formuliert, was oft Anlaß zu Auseinandersetzungen in den Betrieben führt, sowohl mit dem Arbeitgeber als auch mit den Betriebsratskörperschaften. Auch mit der Gewerkschaft gab es darüber Auseinandersetzungen, wie das Zitat aus einer Broschüre des ÖGB zeigt.
Die Novelle zum Behinderteneinstellungsgesetz, BGBl. I Nr. 111/2010, Art. 103, in Kraft getreten mit 1.1.2011, brachte umfangreiche Neuerungen im Behindertenrecht. Neben der massiven Verschlechterung des Kündigungsschutzes gab es auch eine positive Neuerung, nämlich die Verbesserung der Rechtsstellung der Behindertenvertretung, die nun ein Organ der Arbeitnehmerschaft sind und deren Rechtsstellung erheblich verbessert wurde.
Gegenüber der bis Ende 2010 geltenden Fassung ist die wichtigste Änderung diejenige, daß nun festgeschrieben ist, daß die Behindertenvertrauensperson ein Organ der Arbeitnehmerschaft ist. Leider ist die Formulierung unklar: Ob damit eine Gleichstellung der Behindertenvertretung mit den anderen Organen der Arbeitnehmerschaft nach § 40 ArbVG gemeint ist, wird erste die zukünftige Rechtssprechung zeigen. Zu einer Gleichstellung der Behindertenvertretung mit dem Jugendvertrauensrat, wie er nach den §§ 123 bis 132f ArbVG (siehe oben) zu bilden ist, ist es - entgegen dem ursprünglichen Ministerialentwurf - leider nicht gekommen. In der Parlamentssitzung vom 20. und 21.12.2010, in der diese Gesetzesänderung im Rahmen des Budgetbegleitungsgesetzes 2011 beschlossen wurde, gab es zu dieser Änderung der gesetzlichen Bestimmungen über die Behindertenvertretung nur zwei Wortmeldungen am Rande, nämlich von Fr. Ulrike Königsberger-Ludwig und Hrn. Dr. Franz Josef Huainigg. Inhaltlich hatte zu dieser doch beträchlichen Verwässerung des ursprünglichen Minsterialentwurfes niemand etwas zu sagen, obwohl in dieser überlangen Sitzung des Nationalrates öfters von Behinderten die Rede war, in erster Linie wegen der Verschlechterungen beim Pflegegeld.
Bis 31.12.2010 war die Behindertenvertrauensperson ein Individualorgan,
hatte aber nicht die Rechtsstellung eines Organes der Arbeitnehmerschaft.
Höchstgerichtliche Entscheidungen dazu, welche Befugnisse einem solchen
Individualorgan zugekommen sind, gibt es nur aus dem Bereich des
öffentlichen Dienstes:
Den Behindertenvertrauenspersonen einschließlich der
Zentralbehindertenvertrauensperson kommt nach § 22a iVm § 22b
BEinstG zwar die Stellung als Personalvertreter, nicht aber als Organ der
Personalvertretung zu, weil sie grundsätzlich im Einvernehmen mit dem
nach wie vor für die Wahrnehmung der Mitwirkungsbefugnisse für
alle Bediensteten (also einschließlich der Behinderten im Sinne des
BEinstG) nach dem PVG zuständigen Personalvertretungs-Organ tätig
werden (Hinweis § 22a Abs 7 BEinstG) und dabei auf die besondere
Wahrung der Interessen der Behinderten in diesem Personalvertretungs-Organ
zu achten haben. Die daneben bestehenden SELBSTÄNDIGEN Funktionen
begründen keine eigene Organstellung der Behindertenvertrauenspersonen
einschließlich der Zentralbehindertenvertrauensperson iSd § 3 Abs
1 PVG. Sie können nämlich nicht mit den dort in Klammer in §3 Abs 1 lit b PVG genannten
Vertrauenspersonen verglichen werden, die in kleinen Dienststellen anstelle
des Dienststellenausschusses dessen Funktion übernehmen.
(Verwaltungsgerichtshof vom 26.05.1999, Geschäftszahl 98/12/0021).
Inwieweit dieses Erkenntnis auf private Dienstverhältnisse
übertragbar ist, ist unklar, da es Vertrauenspersonen in
kleineren Betrieben, die es nach dem Betriebsrätegesetz (dem
Vorläufer des heutigen Arbeitsverfassungsgesetzes) bis 1973 gegeben
hat, jetzt nicht mehr gibt; damit ist der im Erkenntnis herangezogene
Vergleich mit dem Personalvertretungsgesetz hier nicht möglich.
An dem zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ist bemerkenswert, daß es auf die geringen selbständigen Funktionen der Behindertenvertrauensperson abzielt, die ja großteils im Einvernehmen mit dem Betriebsrat wahrzunehmen sind. Sie würden eine Organstellung der Behindertenvertrauensperson nicht rechtfertigen. Ich halte diese Argumentation für fragwürdig, da ja das Einvernehmen mit dem Betriebsrat zwar zu suchen ist, aber nicht verlangt werden kann. Würde von der Behindertenvertrauensperson verlangt, daß sie nur dann tätig werden darf, wenn es ihr der Betriebsrat erlaubt, würde ja die Idee einer eigenständigen Behindertenvertretung ad absurdum geführt werden, was wohl nicht im Sinne des Gesetzgebers wäre. Ein großer Teil der Arbeit einer Behindertenvertrauensperson wird wohl eher ohne die ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrates zu erledigen sein, der ja die große Mehrheit der Nichtbehinderten vertritt und natürlich auch von ihr gewählt werden will. Hier die potentiellen Interessenskonflikte nicht sehen zu wollen, ist naiv. Man denke nur an die Frage, ob im Fall betriebsbedingter Kündigungen ein behinderter oder ein nicht-behinderter Mitarbeiter zu kündigen ist und wie sich Arbeitgeber und Belegschaft wohl dazu stellen werden und wie sich der Betriebsrat verhalten wird. Äußerungen wie wir müssen den Krüppel mitschleppen habe ich in meiner Zeit als Behindertenvertrauensperson oft genug gehört.
Außerdem vernachläßigt das Erkenntnis die unterschiedliche
Interessenslage von Betriebsrat und Behindertenvertretung. Bei der
betrieblicher Vertretung der Arbeitnehmerinteressen durch den Betriebsrat
sieht das Arbeitsverfassungsgesetz in § 89 im Sinne einer
Generalklausel vor, daß der Betriebsrat alle für die
Arbeitnehmer des Betriebes relevanten Rechtsvorschriften zu
überwachen hat, wozu unter anderem auch das
Behinderteneinstellungsgesetz gehört. Es gibt aber eine große
Anzahl weiterer Rechtsvorschriften, und deren Zielsetzungen sind nicht
immer widerspruchslos. Auch definiert § 39 Abs. 1 ArbVG als Ziel
der Betriebsverfassung die Herbeiführung eines Interessenausgleiches
im Betrieb. Da unterschiedliche Personengruppen in einem Betrieb durchaus
unterschiedliche Interessen haben werden, hat der Gesetzgeber einige
Spezialgesetze erlassen, die diese Personengruppen schützen
sollen. Das Arbeitsverfassungsgesetz kennt nur die jugendlichen
Arbeitnehmer als eine solche Gruppe mit speziellen Interessen, denen
folgerichtig eine eigene Interessensvertretung, nämlich der
Jugendvertrauensrat, zugestanden wird. Die potentielle
Interessenskollision zwischen Jugendlichen und älteren
Arbeitnehmern mag man etwa am Beispiel der Pensionsleistungen eines
Unternehmens oder altersabhängigen Sonderleistungen ersehen.
Das Behinderteneinstellungsgesetz gesteht auch der Gruppe der
begünstigten Behinderten eine eigenständige
Interessensvertretung zu, die übrigens nach der Absicht des
Gesetzgebers dem Jugendvertrauensrat nachgebildet ist. Die
Behindertenvertretung hat nun die Aufgabe, auf die Anwendung
der Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes hinzuwirken
(§ 22a Abs. 8 Z. a BEinstG). Das ist nun aber keine rein
betriebliche Interessensvertretung, sondern die Überwachung
der Intention des Behinderteneinstellungsgesetzes, nämlich der
Förderung der im öffentliche Interesse liegenden
Beschäftigung der begünstigten Behinderten, die ja
möglichst lange nicht den Sozialsystemen zur Last fallen
sollen. Hier ist ein Interessenskonflikt mit Arbeitgeber und
Betriebsrat leicht vorherzusehen, wenn (von beiden Seiten)
argumentiert wird, daß nur die Besten für
den Betrieb geeignet sind und auf Schwache, Alte und Kranke keine
Rücksicht genommen werden kann, ohne den Betrieb weniger
konkurrenzfähig zu machen.
Jedenfalls ist die Behindertenvertretung ab 1.1.2011 ein Organ der (behinderten) Arbeitnehmerschaft, genauso wie der Jugendvertrauensrat nach § 123 ArbVG ein Organ der (jugendlichen) Arbeitnehmerschaft ist. Nach herrschender Rechtssprechung sind Organe dazu berufen, die Arbeitnehmerschaft - als den eigentlichen Träger betriebsverfassungsrechtlicher Befugnisse - handlungsfähig zu machen. Auch wenn die aktuelle Formulierung des § 22a BEinstG ( ... sind Behindertenvertrauenspersonen (Stellvertreter) zu wählen ... ) etwas widersprüchlich erscheint, so hat der Gesetzgeber doch klar zum Ausgedruck gebracht, daß die Stellvertreter der Behindertenvertrauensperson auch im Falle der Anwesenheit der Behindertenvertrauensperson tätig werden dürfen. Das Organ Behindertenvertrauenspersonen (Stellvertreter) besteht daher aus der Behindertenvertrauensperson und den Stellvertretern. Unterstrichen wird das noch durch den letzten Satz von § 22a Abs. 1 BEinstG, daß erforderlichenfalls eine Geschäftsordnung erlassen werden kann.
Die aus diesen gesetzlichen Verpflichtungen resultierenden Aufgaben und Tätigkeiten wurden von unserer Behindertenvertretung zunächst in einem Positionspapier zusammengefaßt. Es diente einerseits der Vorstellung unserer Liste (der Behindertenliste) anläßlich unserer ersten Wahl im März 2004, und sollte andererseits unsere Grundlage zur Diskussion mit dem Betriebsrat über die vom Gesetz vorgesehene Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Behindertenvertretung darstellen.
Zuletzt aktualisiert am 30. April 2011